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Sein Erbe sei." — Was ist denn dran

So sonderlichs? fragt Lolo.

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Es ist der Nachlaß eines Weisen,

Der über hundert Jahre dran

Gesammelt hat, die Frucht von großen Reisen
Und tiefem Forschen der Natur.

Das ganze Buch hat zwanzig Blåtter nur,

Allein auf jedem Blatt den Schlüssel

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Werd' es in eine goldne Schüssel,

Die auf dies Wunderbuch gestellt wird, aufgefaßt:
So wirst du, Herr, ein Wunder sehen

Wie du noch keins gesehen hast.

Mein Blut wird plötzlich still in jeder Ader stehen,

Und in der Schüssel wird im gleichen Augenblick
Mein Kopf sich von sich selbst erheben,

Und sprechen, und auf jedes Fragestück
Laut und vernehmlich Antwort geben,
Das du, mein gnåd'ger Herr und Fürst,

Ihm aus dem sechsten Blatt des Buches vorzulegen
Geruhen wirst. “

Das wäre! ruft der Schach; Nun, dieses
Wunders wegen,
Sei denn noch eine Stunde Frist

In Gnaden dir geschenkt! Die' Wache soll zur

Seiten

Ihm immer gehn, und ihn zurück begleiten;
Und daß er ja das Buch mir nicht vergißt!“

Mein Duban betet an zur Erde
Und wird hinweggeführt. Und überall

Bet Hof und in der Stadt erschallt des Günstlings
Fall,

Und daß bei seinem Tod sich was ereignen werde,.

Wieland.

Wieland. Was noch kein Mensch gesehn.

Der große Divans

Saal

1

Wallt wie ein See vonfMenschen ohne Zahl,

Die alle vor Begierde brennen

Das große Wunder auch zu sehn;

Man håtte durch den Saal, so dichte wie sie stehn,
Auf lauter Köpfen gehen können.

(Um Nichts zu sehn

Läßt sich kein besser Mittel denken)

Auch ist kein Herz, das nicht von Mitleid überfließt

Mit Dubans Fall, und doch in größern Aengsten ist,

Der Schach möcht ihm das Leben schenken.

Der Seiger schlägt: Mein Duban, wohl bes wacht,

Wird mit dem Schlag herbeigebracht.

Die Wache macht ihm Plaß. Die goldne Flügelthüre
Fährt auf; das ganze Vorgemach

Ergießt sich in den Saal; dann Emirn und Veziere,
Und dann ein Zwischenraum, und dann zuleßt der
Schach,

Vom Großvezier, der diese Lust bereitet,

Und von dem Oberhaupt der Håmmlinge begleitet.
Der Schach besteigt den Thron, und Duban, züchtigs
lich

Doch ohne Furcht, tritt zwischen vier Trabanten
Mit einem macht'gen Folianten

Im Arme hin zum Throne bückt bis zur Erde sich,
Legt dann das Buch am Fuß des Thrones nieder,
Und wiederholt was er dem Schach davon
Bereits gesagt. Drauf wird zum Werk geschritten.
Ein scharlachrothes Tuch deckt, mitten
Im Saal, des Bodens goldne Pracht,

Der Kreis um Duban her wird råumiger gemacht,
Der Henter zuckt das Werkzeug kalter Schrecken,
Und seitwårts steht ein Sklave mit dem Becken.

Der Duban war ̧ im Grund ein guter Tropf,
Und, minder um sich selber einen Kopf

Zu sparen als dem Schach die Quaal zu spåter Reue,, Wieland. Kniet er noch einmal hin, und schwört ihm seine Treue

Und Unschuld, bittet, fleht sogar

Mit heißen Thrånen

Umsonst

--

Alles war

dein Kopf, mein Freund, muß fliegen,

Und war es auch nur um's Vergnügen,

Zu hören was er sagen kann,

Wenn er herunter ist.“

Nun gut, so sei es dann,

Spricht Duban, lös't gelassen seinen Kragen
Vom Halse, schließt die Augen als ein Mann,
Und — ritsch! ist ihm das Haupt herabgeschlagen.

Das goldne Becken faßt, auf Dubans Buch ges
stellt,

Den Kopf, so wie er blutend fållt,

Im Fallen auf. Stracks hört er auf zu bluten,
Der Rumpf bleibt stehn, als wår ihm nichts gethan,
Und, gegen aller Welt Vermuthen,

Hebt sich der Kopf und fångt zu redén an:

„Nun, Herr der Welt, wenn du's mit einer Frage. Versuchen willst, und hören was darauf

Ein Kopf zu sagen hat: so schlage.

Das sechste Blatt des Wunderbuches auf;
Auf dessen linker Seite stehn

Drei Fragen oder vier in großen goldnen Lettern. “

Schach Lolo spricht: wir wollen's sehn!

Man reicht das Buch ihm hin, und er beginnt zu blåts

tern.

Seht, ruft der Kopf, wenn ihr so gut sein wollt, Mich, während daß er sucht, auf meinen Rumpf, und bindet

Den Faden von gedrehtem Gold,

Den ihr in meiner Tasche findet,

Mir um den Hals.

Der Sultan, um zu sehn

Was noch draus werden soll, läßt alles gern geschehn,
Und blåttert, unterdeß daß man den Faden binder,

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Wieland. Auf seinen Thron zurückgelehnt,

In Dubans Buch. Nun hatte Lolo, neben
Mehr Unmanieren, auch sich diese angewöhnt,
Daß er, so oft ein Blatt in einem Buch zu heben
Und umzuwenden war, bei jedem Blatt
Den Finger erst an seiner Zunge neķte,
Bevor er ans Papier ihn seßte.

Da nun die Blåtter etwas glatt

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Und klebricht waren, schien's hier um so mehr vonnés
then.

So schlägt er nach und nach, den Finger stets am
Mund,

Bis auf das sechste um, beguckt es ernstlich_rund
Herum, und ist gar mächtiglich betreten,

Zu sehen, daß darauf nicht eine Sylbe stund.

„Da ist ja Nichts!

66

Nur zwei, drei Blätter weiter,

Ruft Dubans Kopf, der nun ganz frei und heiter
Auf seinem Rumpfe stund; ich habe mich am Blatt
Geirret, scheints.

Schach Lolo blåttert weiter,

Doch, eh er drei noch umgeschlagen hat,
Ist schon das Gift, das er von jedem Blatt
Mit feuchtem Finger seiner Zungen

Unwissend mitgetheilt, ihm bis ins Herz gedrungen,
Ein wilder Schmerz fährt zuckend wie ein Bliß
Durch sein Gebein, ihm schwindelts im Gehirne,
Und dunkel wirds um seine kalte Stirne,

Er stürzt herab von seinem goldnen Thron,
Und liegt in Zuckungen, und ringet mit dem Tode.

Wohlan (ruft Dubans Kopf, der nun in seinen
Rumpf

Sich wieder eingesenkt) du nickende Pagode!
Am Herzen kalt, an Sinnen ftumpf,

Hab's an dir selbst! Ich bin an deinem Tode

Unschuldiger als du.

Kann Duban nicht.

Doch spotten deines Fall's

Als ich um meinen Hals

Sum

Zum leßtenmale dir mit heißen Thrånen flehte,
War's Menschlichkeit was mich dazu betrog:
Dein böser Damon überwog;

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Bei diesem Wort entfuhr dem armen Schach Der lehte Hauch; betäubt von Schrecken rannen

Die Emirn aus dem Saal, das Volk den Emirn

nach,

Und Duban gieng mit seinem Kopf von dannen.

P 2

von

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