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Artikel 11.

Deutsches

Niederlande.

31. Doz.1896.

Die Durchlieferung einer Person, welche von einer dritten Regierung an Nr. 11427. einen der vertragschliessenden Teile ausgeliefert wird, durch das Gebiet des Reich und anderen Teiles, wird auf den im diplomatischen Wege zu stellenden Antrag bewilligt werden, sofern die betreffende Person dem um die Durchlieferung ersuchten Teile nicht angehört und die strafbare Handlung, wegen deren die Auslieferung stattfindet, auch nach dem gegenwärtigen Vertrage die Auslieferung begründen würde. Mit dem Antrag ist ein den Bestimmungen des Artikels 7 entsprechendes Schriftstück beizubringen. Die Durchlieferung erfolgt unter

Begleitung von Beamten des um die Durchlieferung ersuchten Teiles.

Artikel 12.

Wenn die Behörden eines der vertragschliessenden Teile in einem Strafverfahren wegen nicht politischer Handlungen, die auch durch die Gesetze des anderen Teiles mit Strafe bedroht sind, die Vernehmung im Gebiete des anderen Teiles befindlicher Zeugen oder irgend eine andere Untersuchungshandlung für notwendig erachten, so wird ein entsprechendes Ersuchungsschreiben auf diplomatischem Wege mitgeteilt und dem Ersuchen nach Massgabe der Gesetzgebung des Landes, wo der Zeuge vernommen oder die sonstige Untersuchungshandlung vorgenommen werden soll, Folge gegeben werden. || In dringenden Fällen kann ein solches Ersuchen unmittelbar von der Gerichtsbehörde des einen Teiles an die Gerichtsbehörde des anderen Teiles gerichtet werden.

Artikel 13.

Wenn die Behörden eines der vertragschliessenden Teile in einem Strafverfahren wegen nicht politischer Handlungen, die auch durch die Gesetze des anderen Teiles mit Strafe bedroht sind, das persönliche Erscheinen eines Zeugen für notwendig oder erwünscht erachten, so wird auf den im diplomatischen Wege zu stellenden Antrag die Regierung des Landes, in welchem der Zeuge sich befindet, ihm von der an ihn ergehenden Ladung Kenntnis geben. Erklärt sich der Zeuge bereit, der Ladung Folge zu leisten, so werden ihm die Kosten der Reise und des Aufenthalts nach den Tarifsätzen und Vorschriften des Landes, in welchem die Vernehmung erfolgen soll, bewilligt, sofern nicht die ersuchende Regierung eine höhere Entschädigung gewährt. || Dem Zeugen kann auf seinen Antrag durch die Behörden seines Wohnorts der Gesamtbetrag oder ein Teil der im vorhergehenden Absatze bezeichneten Reisekosten vorgeschossen werden; diese Kosten werden demnächst von der ersuchenden Regierung zurückerstattet. In keinem Falle darf ein Zeuge, gleichviel welchem Staate er angehört, wenn er infolge der in dem einen Lande ihm zugegangenen Ladung freiwillig vor den Richtern des anderen Landes erscheint, daselbst auf Grund einer Beschuldigung oder Verurteilung wegen früherer strafbarer Handlungen oder unter dem Vorwande der Mitschuld an den Handlungen, welche den Gegenstand des Strafverfahrens bilden, in dem er als Zeuge auftritt, zur Untersuchung gezogen oder festgenommen werden.

Artikel 14.

Nr. 11427.

Reich und

Wenn die Behörden eines der vertragschliessenden Teile in einem StrafDeutsches verfahren wegen nicht politischer Handlungen, die auch durch die Gesetze des Niederlande, anderen Teiles mit Strafe bedroht sind, die Zuführung von Personen, die sich 31. Dez.1896. in dessen Gebiet in Untersuchungs- oder Straf haft befinden und dort nicht die Staatsangehörigkeit besitzen, zum Zwecke einer Gegenüberstellung oder die Mitteilung von Beweisgegenständen oder Urkunden, die in den Händen der anderseitigen Behörden sind, für notwendig oder nützlich erachten, so wird ein entsprechender Antrag auf diplomatischem Wege gestellt und diesem Antrag unter der Verpflichtung der Zurücklieferung der Personen, Beweisgegenstände oder Urkunden stattgegeben werden, sofern nicht besondere Bedenken entgegenstehen.

Artikel 15.

Die vertragschliessenden Teile verzichten gegenseitig auf alle Ersatzansprüche wegen der Kosten, die ihnen innerhalb der Grenzen ihres Gebiets aus der Festnahme, dem Unterhalt und der Beförderung der auszuliefernden Personen, aus der Erledigung der im Artikel 12 vorgesehenen Ersuchungsschreiben oder aus der Hin- und Rücksendung der gemäss Artikel 14 zu gestellenden Personen oder mitzuteilenden Beweisgegenstände oder Urkunden erwachsen. Soll die Beförderung auf dem Seeweg erfolgen, so wird die auszuliefernde Person nach dem Hafen gebracht werden, welchen der diplomatische oder konsularische Vertreter des ersuchenden Teiles bestimmt; diesem fallen die aus der Festhaltung, dem Unterhalt und der Beförderung erwachsenden Kosten von dem Augenblick an zur Last, wo der Auszuliefernde an Bord gebracht ist. || Die Kosten der Durchlieferung (Artikel 11) fallen dem ersuchenden Teile zur Last.

Artikel 16.

Die vertragschliessenden Teile werden sich gegenseitig die rechtskräftigen Verurteilungen von Angehörigen des anderen Teiles wegen strafbarer Handlungen jeder Art mit Ausnahme der Übertretungen mitteilen. Diese Mitteilung wird durch die auf diplomatischem Wege zu bewirkende Übersendung des Strafurteils oder eines die Entscheidung auszugsweise enthaltenden Vermerks erfolgen.

Artikel 17.

Jeder der beiden hohen vertragschliessenden Teile wird alle Rechte und Begünstigungen, die er einem dritten Staate in Beziehung auf die Frage, wegen welcher strafbaren Handlungen die Auslieferung zu bewilligen ist, seit dem 1. September 1886 eingeräumt hat oder in Zukunft einräumen sollte, dem anderen Teile zu statten kommen lassen, insoweit dieser im gleichen Falle die Auslieferung gewährt. || Die vertragschliessenden Teile werden sich gegenseitig die seit dem 1. September 1886 abgeschlossenen Verträge mitteilen, durch die sie dritten Staaten Rechte und Befugnisse, die nach Absatz 1 dem anderen Teile zu statten kommen sollen, eingeräumt haben, und werden sich

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Deutsches Reich und

auch in Zukunft alle Verträge dieser Art, sobald sie in Kraft getreten sind, Nr. 11427. mitteilen. Sie werden sich gleichfalls davon Mitteilung machen, wenn ein Vertrag, von dem hiernach Mitteilung zu machen war, wieder ausser Kraft tritt. Niederlande.

Artikel 18.

Die Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags finden auf die Niederländischen Kolonien und auswärtigen Besitzungen derart Anwendung, dass, wo im Vertrage von den Niederlanden die Rede ist oder diese unter der Bezeichnung des ersuchten oder ersuchenden Teiles, Staates oder Landes zu verstehen sind, die Kolonien und Besitzungen darunter gleichfalls begriffen sein sollen, mit der Massgabe jedoch, dass: || 1. die Auslieferung aus den Kolonien und Besitzungen nur insoweit beansprucht werden kann, als die dort vermuteten Personen sich innerhalb des Bereiches der daselbst bestehenden Behörden befinden; || 2. als Gesetze und Gesetzgebung, wo der Vertrag auf solche verweist, die Gesetze und Gesetzgebung der betreffenden Kolonie oder Besitzung zu gelten haben; || 3. für die vorläufige Festhaltung an Stelle der im Artikel 9 Vorgesehenen zwanzigtägigen Frist eine Frist von drei Monaten tritt. || Die deutschen Schutzgebiete werden von diesem Vertrage nicht berührt. Es bleibt vorbehalten, den Gegenstand für diese Gebiete besonders zu regeln.

Artikel 19.

Der gegenwärtige Vertrag wird ratifiziert werden. Er soll drei Monate nach der Auswechselung der Ratifikationsurkunden, die sobald als möglich bewirkt werden wird, in Kraft treten. Von diesem Zeitpunkt ab verlieren die früher zwischen einzelnen Staaten des Deutschen Reichs und den Niederlanden abgeschlossenen Verträge über die Auslieferung von Verbrechern ihre Gültigkeit. An deren Stelle tritt der gegenwärtige Vertrag, welcher von jedem der beiden vertragschliessenden Teile aufgekündigt werden kann, jedoch nach erfolgter Aufkündigung noch sechs Monate lang in Kraft bleibt. || Zu Urkund dessen haben die beiderseitigen Bevollmächtigten den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnet und mit dem Abdruck ihrer Siegel versehen. || Ausgefertigt in doppelter Urschrift in Berlin, den 31. Dezember 1896.

(L. S.) Michelet von Frantzius.

(L. S.) D. A. W. van Tets van Goudriaan.

Nr. 11428. DEUTSCHES REICH. Denkschrift dem Reichstage bei Einbringung vorstehenden Vertrages vorgelegt.

31. Dez.1896.

Deutsches

Die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern war mit den Niederlanden Nr. 11428. bisher nicht vom Reiche, sondern nur von einzelnen Bundesstaaten vertrags- Reich. mässig geregelt. Derartige Auslieferungsverträge mit den Niederlanden be- 31. Dez. 1896. stehen für:

1. Preussen: Vertrag vom 17. November 1850 nebst Zusatzvertrag vom 20. Juni 1867 (Preussische Gesetz-Sammlung von 1850 S. 509, von 1867

Deutsches

Reich.

Nr. 11428. S. 1219); || 2. Bayern; Vertrag vom 25. Oktober 1852 (Regierungsblatt für das Königreich Bayern von 1853 S. 73); || 3. Sachsen: Übereinkunft vom 31. Dez. 1896. 23. Mai 1856 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen von 1856 S. 143); || 4. Württemberg: Vertrag vom 23./30. August 1852 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg von 1852 S. 377); || 5. Baden: Vertrag vom 8. November 1864 (Grossherzoglich badisches Regierungsblatt von 1865 S. 25); || 6. Hessen: Vertrag vom 14. September 1853 (Grossherzoglich hessisches Regierungsblatt von 1853 S. 660); || 7. Mecklenburg-Schwerin: Vertrag vom 17. März 1858 (Regierungsblatt für das Grossherzogtum Mecklenburg23. April 1853 (GesetzSchwerin von 1858 S. 73); || 8. Oldenburg: Vertrag vom 3. März blatt für das Herzogtum Oldenburg von 1853 S. 509); || 9. Bremen: Übereinkunft vom 12./9. Oktober 1852 (Gesetzblatt der freien Hansestadt Bremen von 1853 S. 29); || 10. Hamburg: Vertrag vom 30. September 1852 (Lappenberg'sche Sammlung der Verordnungen der freien und Hansestadt Hamburg Bd. 22 S. 550).

Das Bedürfnis, diese Verträge durch einen für das Reich abzuschliessenden Vertrag zu ersetzen, hat sich seit lange fühlbar gemacht. Die aufgeführten Verträge sind veraltet; sie gestatten die Auslieferung nur wegen einzelner der schwersten Verbrechen und Vergehen und sehen die Herbeiführung einer vorläufigen Festnahme auf unmittelbares Ersuchen der zuständigen Justizbehörden nicht vor, so dass dieserhalb der diplomatische Weg eingehalten werden musste. Für die Teile Deutschlands, für die solche Verträge nicht abgeschlossen sind, war aber eine Auslieferung aus den Niederlanden überhaupt nicht zu erreichen, weil die Königlich niederländische Regierung den Grundsatz vertritt, dass sie eine Auslieferung nur auf Grund förmlicher Verträge bewilligen kann. || Die erste Anregung zur vertragsmässigen Regelung des Gegenstandes zwischen dem Reiche und den Niederlanden war bereits im Jahre 1871 erfolgt. Indess konnten die Verhandlungen erst Fortgang nehmen, nachdem die Niederländische Regierung mit dem niederländischen Auslieferungsgesetze vom 6. April 1875 eine neue und erweiterte gesetzliche Grundlage für den Abschluss derartiger Verträge erhalten hatte. Nach mehrfachen längeren Unterbrechungen haben diese Verhandlungen zum Abschlusse des vorliegenden, am 31. Dezember 1896 in Berlin unterzeichneten Vertrags geführt. Zu Grunde gelegt war den Verhandlungen ein Entwurf, den die Niederländische Regierung nach Massgabe ihres Auslieferungsgesetzes aufgestellt hatte. Von deutscher Seite ist darauf hingewirkt worden, diesen Entwurf mit den sonst vom Reiche abgeschlossenen Auslieferungsverträgen soviel als möglich in Einklang zu bringen. Der Vertrag ist in den beiden Landessprachen Deutsch und Holländisch - abgeschlossen. In den Niederlanden gilt seit dem 1. September 1886 das Strafgesetzbuch vom 3. März 1881. Durch das am 15. April 1886 ergangene und gleichfalls mit dem 1. September 1886 in Kraft getretene Einführungsgesetz zu diesem Strafgesetzbuche hat das niederländische Auslieferungsgesetz einige Änderungen erfahren. Insbesondere ist der Artikel 2 des Auslieferungsgesetzes,

Deutsches

der in 26 Nummern die Strafthaten aufzählt, wegen deren allein eine Aus- Nr. 11428. lieferung aus den Niederlanden erfolgen darf, in 17 Nummern durch den Reich. Artikel 18 des gedachten Einführungsgesetzes mit Rücksicht auf das neue 81. Dez. 1896. Strafgesetzbuch abgeändert worden. Die Niederländische Regierung war bei dem Abschlusse des Vertrags an das Auslieferungsgesetz in der Fassung von 1886 (d. h. mit den sich aus dem gedachten Artikel 18 ergebenden Abänderungen) gebunden. Ein Abdruck und eine deutsche Übersetzung des Auslieferungsgesetzes, wie des Artikels 18, sind hier beigefügt. || Da das niederländische Strafgesetzbuch nicht, wie das deutsche, zwischen Verbrechen und Vergehen unterscheidet, so waren diese Ausdrücke im Vertrage nicht anzuwenden; statt dessen ist der allgemeinere Ausdruck „Strafthat" oder „strafbare Handlung" gewählt. || Im Einzelnen ist zu bemerken:

Artikel 1

stellt im Absatz 1 den Umfang der Auslieferungspflicht im allgemeinen fest, während Absatz 2 bestimmt, wegen welcher einzelnen Strafthaten und Absatz 3, inwieweit wegen Versuchs die Auslieferung stattfinden soll. || Wenn Absatz 1 die Auslieferungspflicht auf die ,,ausserhalb des Gebiets des ersuchten Teiles" begangenen strafbaren Handlungen beschränkt, so war diese Beschränkung durch das niederländische Auslieferungsgesetz (Eingang des Artikels 2) geboten. Die Auslieferung wegen der im Abs. 2 aufgeführten Strafthaten soll, wie am Schlusse von Abs. 1 bestimmt wird, nur stattfinden, ,,sofern die betreffende Handlung zugleich nach der Gesetzgebung des ersuchten Teiles als eine der nachstehend" (d. h. im Abs. 2) aufgeführten Strafthaten anzusehen ist." Es bildet hiernach eine allgemeine Voraussetzung jeder Auslieferung, dass die sie begründende strafbare Handlung sich nach der Gesetzgebung des einen, wie des anderen Teiles als eine im Vertrage vorgesehene Strafthat darstellt. In früheren Verträgen des Reichs, wie insbesondere in dem mit Belgien vom 24. Dezember 1874 (Reichs-Gesetzbl. 1875 S. 73), ist eine solche allgemeine Klausel der Straf barkeit nach den beiderseitigen Gesetzgebungen vermieden, statt dessen aber bei den einzelnen Strafthaten, wo der Thatbestand sich nicht völlig erschöpfend und durch einander entsprechende Ausdrücke begrenzen liess, ein Vorbehalt dieser Art besonders hinzugefügt worden. Wenn damit bezweckt war, ein Zurückgehen auf die Gesetzgebung des anderen Teiles, insoweit nicht bei den einzelnen Nummern besonders darauf verwiesen ist, entbehrlich zu machen, so ist dieses Ziel, wie die Erfahrung ergeben hat, nicht vollständig erreicht worden. Denn auch bei den Strafthaten, bei denen sich ein solcher Vorbehalt im Vertrage nicht findet, wird der ersuchte Teil die Frage, ob der Thatbestand einer im Vertrage vorgesehenen Strafthat überhaupt vorliegt, zunächst nach seiner Gesetzgebung zu beurteilen suchen und Regierungen, die, wie die Königlich niederländische, bei Abschluss des Vertrags an ein Auslieferungsgesetz gebunden sind, würden gar nicht in der Lage sein, eine Verpflichtung zur Auslieferung für solche Fälle zu übernehmen, in

Staatsarchiv LIX.

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