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Herder.

(Von diesem in so manchem Betracht verehrungswürs digen Schriftsteller, Hrn. Joh. Gottfried Herder, Genes ralfuperintendent in Weimar, geboren 1741, steht eine Fol ge sehr anmuthiger, zum Theil allegorischer, Dichtungen aus der griechischen Fabel in der ersten Sammlung seiner zerstreuten Blåtter, (Gotha 1785. 8.) S. 165. ff. Er nennt sie Paramythien, Erholungen, wie die heutigen Griechinnen noch ihre zeitkürzenden Erzählungen zu nennen pflegen. Das dritte Stück ist eins der reizenden Bilder und Träume, die in der dritten Sammlung dieser zerstreuten Blätter gleich voran stehen.)

Para mythien.

Herder.

I.

Die Lilie und die Rose.

Sagt mir, ihr Töchter der rauhen, schwarzen Erde, wer gab euch eure schöne Gestalt? denn wahrlich von niedlichen Fingern seid ihr gebildet. Welche kleiné Geister steigen aus euren Kelchen empor? und welch Vergnügen fühletet ihr, da sich Göttinnen auf euren Blåttern wiegten? Sagt mir, friedliche Blumen, wie theilten sie sich in ihr erfreuend Geschäft? und wintten einander zu, wenn sie ihr feines Gewebe, so vielfach zierten und stickten.

Aber ihr schweigt, holdselige Kinder, und geniess set eures Daseins. Wohlan! mir soll die lehrende Fa: bel erzählen, was euer Mund mir verschweiget.

Als einst, ein nackter Fels, die Erde da stand: fiehe, da trug eine freundliche Schaar von Nymphen den jungfräulichen Boden hinan, und gefällige Genien waren bereit, den nackten Fels zu beblümen. Vielfach

Zerder.theilten sie sich in ihr Geschäft.

Schon unter Schnee und im kalten kleinen Grase fieng die bescheidne Des muth an, und webté, das sich verbergende Veilchen. Die Hoffnung trat hinter ihr her, und füllte mit küh lenden Düften die kleinen Kelche der erquickenden Hyas cinthe. Jeht kam, da es jenem so wohl gelang, ein stolzender, prangender Chor vielfarbiger Schönen. Die Tulpe erhob ihr Haupt: die Narcisse blickte umher mit vergeblich-schmachtendem Auge.

Biel andere Göttinnen und Nymphen beschäftigs ten sich auf mancherlei Art, und schmückten die Erde, frohlockend über ihr schönes Gebilde.

Und siehe, da ein großer Theil von ihren Werken mit seinem Ruhm und ihrer Freude daran verblühet war, sprach Benus zu ihren Grazien also: „was säumt ihr, Schwestern der Anmuth? Auf! und webet von euren Reizen auch eine sterbliche, sichtbare Blüthe." Sie giengen zur Erd hinab, und Aglaja, die Grazie der Unschuld, bildete die Lilie: Thalia und Euphrosyne webten mit schwesterlicher Hand die Blume der Freude und Liebe, die Jungfräuliche Rose.

Manche Blumen des Feldes und Gartens neider ten einander; die Lilie und Rose neideten keine, und wurden von allen beneidet. Schwesterlich blühen sie zusammen auf einem Gefilde der Hora, und zieren eins ander. Die Blume der Unschuld erhebt die Braut der Liebe und Freude: denn schwesterliche Grazien haben fie ungetrennt gewebet.

Auch auf euren Wangen, o Mädchen, blühen Lis len und Rosen; mögen auch ihre Huldinnen, die Uns schuld, Freude und Liebe, vereint und unzertrennlich auf ihnen wohnen.

2. Nacht

Zerdet.

Nacht und Tag

Nacht und Tag stritten mit einander um den Vorzug; der feurige, glänzende Knabe, Tag, fieng an zu streiten.

Arme, dunkle Mutter, sprach er, was hast du wie meine Sonne, wie meinen Himmel, wie meine Fluren, wie mein geschäftiges rastloses Leben? Ich ers wecke was du getödtet hast, zum Gefühl eines neuen Daseins; was du erschlafftest, rege ich auf. —

Dankt man dir aber auch immer für deine Aufres `gung? sprach die bescheidne, verschleierte Nacht. Muß ich nicht erquicken, was du ermattest? Und wie kann ich anders, als meistens durch die Vergessenheit deis ner? Ich hingegen, die Mutter der Götter und Menschen, nehme alles was ich erzeugte mit seiner Zus friedenheit in meinen Schooß: so bald es den Saum meines Kleides berührt, vergißt es alle dein Blendwerk, und neiget sein Haupt sanft nieder. Und dann erhebe, dann nåhre ich die ruhig gewordne Seele mit himmlis schem Thau. Dem Auge, das unter deinem Sonnens stral nie gen Himmel zu sehen wagte, enthülle ich die verhüllete Nacht, ein Heer unzählicher Sonnen, uns zählicher Bilder, neue Hoffnungen, neue Sterne.

Eben berührte der schwaßende Tag den Saum ihs res Gewandes, und schweigend und matt sank er selbst in ihren umhüllenden Schooß. Sie aber saß in ihrem Sternenmantel, in ihrer Sternenkrone mit ewig ruhis gem Antlig.

hetdet.

Die Dämmerung.

Der Aether und die Liebe war.
Das åltste hohe Götterpaar;
Sie zeugten die Unsterblichen,
Den Himmel und die Seligen.

Und tiefer in der Wolken Reich
Ward ihr Geschlecht der Wolke gleich;
Sie, ewig schön und ewig jung,
Erzeugten uns die Dämmerung.

Aus Licht und Schatten webten sie
Der Menschen trügend Dasein hie;
Nur Dämmerung ist unser Blick,
Nur Dämmerung ist unser Glück.

Der Jugend Holdes Morgenroth
Berbirget, was der Tag uns droht;
Der Blume schwülen Mittag kühlt
Ein Zephyr, der am Abend spielt.

Und Ohr und Auge täuscht sich gern;
Das Herz, es pochet in die Fern';
Es wünscht, und hat, und glaubets kaum:
Denn ach! sein schönstes Glück ist Traum.

Die Hoffnung, ewig schön und jung,
Ist auch ein Kind der Dämmerung;
Auch ihre Schwester Sehnsucht liebt
Den Schleier, der die Lieb' umgiebt.

Ich dank' euch, die ihr um mich schwebt,
Daß ihr die Hülle mir gewebt;
Doch, Lieb' und Aether, leiht, o! leiht
Mir einst ein hellers Pilgerkleid!

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