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bemerken, wie er diese seine Art auf verschiedene Gegenstände anwendet, und sie nach einerlei Handgriff bearbeitet. Dieß giebt seiner Denkart Schranken und Umriß, jedem Leser aber einen Knäuel zu eigenen Betrachtungen in die Hände. Der Schriftsteller hat alles gethan, wenn er diese Eigenheit nur mit verstehlnem Wink zeigt, und sie durch ein und das ans dre stifle Wort zu erklären sucht; alsdenn überlässt er den Les ser sich selbst, und dem lebendigen Anschauen, um diese Züge zu fühlen, und bei sich aufzuklären. So gab sich Benus

ihrem Sohne Aeneas durch einen Blick und einen Tritt zu ers tennen: denn *) als sie ausgesprochen, und sich wandte: schimmerten Strahlen an ihrem Rosenhalse herauf: göttliche Gerüche duftere ihr ambrosisches Haar: ihr Kleid rauschte zu den Füssen herunter, und in ihrem Gange erschien sie als Göttin.

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Da su dieser eignen Manier auch nothwendig Fehler und Schwächen gehören: so soll ich auch einen kritischen Koms mentar über Abbts Schriften entwerfen: welche Fehler sich in das Ganze und in einzelne Theile weben? wo Berge abzutragen, und Klüfte auszufüllen sind? — wo Leuchtthürme errichtet werden können, um ein ganzes Feld vou Begriffen zu übersehen, und wo mehr in die Tiefe zu graben ist, um Schäße zu finden?wo hier Saamentörner liegen, die zu den grössten Bäumen erzogen werden können, und dort dürre Bäume stehen, die zu grünen anfangen müssen, wenn fich, nach jener Fabel von Mahomed, ein Prophet an dieselben, lehut? wie hier eine unnöthige Geldsumme zu verschens ken; dort mit einem Kapital zu wuchern ist? wie hier ein ausgestoffenes Kind des Geistes aufzunehmen, und dort ein Durstiger mit Hülle und Fülle zu versorgen steht? Ich rete durch Bilder, die wie ein übel zusammen geordnetes Gemisch vorkommen müssen: wenn ich aber offenbar språche, so hätte ich über meine Obliegenheit mir selbst zu viel zu vers antworten.

*) Virg. Aeneid. L. I. v. 406.

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Am meisten ists nöthig, daß man von einem Autor abs zicht, was seiner Zeit oder der Morwelt zugehöret, und was er der Nachwelt übrig lässt. Er trägt die Fesseln seines Zeits alters, dem er sein Buch zum Geschenke darbeut: er steht in seinem Jahrhundert, wie ein Baum in dem Erdreich, in das er sich gewurzelt, aus welchem er Säfte ziehet, mit welchem er seine Gliedmaßen der Entstehung decket. Je mehr er sich um seine Welt verdient machen will, destomehr muß er sich nach ihr bequemen, und in ihre Denkart dringen, um sie zu bilden. Ja da er selbst nach diesem Geschmack geformt ist, und sich die erste Form nie ganz zurück hilden lässt: so muß ein jeder großer Schriftsteller die Muttermahle seiner Zeit an fich tragen. Du kunstrichterischer Thor! der du sie ihm rauben willst: du nimmst ihm Züge seiner Eigenheit, Stücke seiner Echönheit, Narben seiner Berdienste.

Aber bemerken fann und soll man fie: denn sie sind lehr reich, und der Kommentator eines Autors ist für mich der größte, nicht der denselben nach seinem Jahrhundert umbils det; sondern ihn in allen Nüancen seiner Zeit erklärt, und alsdann ergänzet. Er suche ihn nicht von seinen Schlacken zu reinigen: donn wenn in diesen Schlacken gleich nicht Gold bleiben sollte: so verliert der immer viel mit ihnen, der fie zu brauchen weiß. Sondern er übernehme nur geduldig die chymische Operation, alles in seine Bestandtheile aufzuld, sen, damit wir die Entstehungsart sehen. Daran ist mir

nicht so viel gelegen, daß jemand aus dem Geißte eines Aus tors wieder den Geist herauszuziehen weiß, und mit einer bedeutenden Miene zu mir tritt: siehe da! ich habe dir trinks bar Gold verschafft: denn mit diesem Geist und trinkbarem Golde ist gar zu viel Betrug vorgegangen. Aber der Ertlås rer ist mein Mann, der der Vorwelt, und der Zeit, und der Nachwelt eines Autors ihre Gränzen ziehet; was ihm die erste geliefert, die zweite geholfen oder geschadet, die dritte nach gearbeitet. Eine Geschichte der Schriftsteller, die nach dieser Idee ausgeführt, welch ein Werk wåre sie! die Grunde

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lage zu einer Geschichte der Wissenschaften, und des menschlis chen Verstandes. Hätten wir auch nur einen einzigen Baco auf diese Art erklåret aus der alten Zeit, gerechtfertiget aus der Seinigen, aus der Unsrigen verbessert und ergänzt: so håtten wir ein großes Hülfsmittel, das uns weiter brachte: und es könnte an ihm ein zweiter Baco entstehen, so wie Alexs ander an dem Grabe des Achilles, und Cåsar an der Bilds Fäule Alexanders. Wåre Ariftoteles wohl je so schädlich ges worden, håtte man auch nur einen einzigen solchen Blick auf ihn geworfen? Aber wenn die Muttermahle eines Autors, die für seine Zeit sind, dieß Zeitalter überleben, und unzeitig nachgeahmt werden: so steht der Bediente Alexanders vor mir, der den schiefen Hals seines Herrn nachmacht, der meinetwer gen seinem Herrn gut stehen kann, oder muß; ihm aber jäms merlich låsst. Auf diese Weise wird, was die Ehre eines Aus tors seyn kann: eine Schande für uns - und was uns nug tönnte, schabet.

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Garve.

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Seine vortreffliche Schrift über den Charakter Zollikofer's, an Hrn. Weiße gerichtet, sollte nicht Lebensgeschichte seyn, fons dern Darlegung dessen, was Hr. G. durch Umgang mit seiner Pers fon und durch Lesung seiner Schriften, von dem Eigenthümlichen feines Geistes und feines Charakters hat erkennen können; und Diese Darlegung ist so wahr und treffend gerathen, daß Jeder, der den liebenswürdigen 3. in der Nähe kanute, sein Bild darin wies der findet, und manchen ehedem nur dunkel empfundenen Zug hier aufs feinste und wirksamßte gefasst und ausgeführt sieht.

Aus Zollikofers Leben.

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Alles war an diesem Manne etwas verborgener, aber eben deswegen desto gründlicher. Auf seinem Aeußern sah man teine einzige seiner guten Eigenschaften in einem ausnehmens den Grade: sondern nur das Resultat aller, das gefeßte Wesen. Er empfand tief, und sah kalt aus. Er dachte viel, und war schweigend. Er war sehr wohlwollend, und nicht zuvorkommend. Dem seichten Beobachter fiel nur bloß ein gewisser Anstand in die Augen, der Ehrfurcht einflösste, aber keine große innere Thätigkeit ankündigte. Bei genaues rer Untersuchung fand man seinen Geißt immer mit Denken beschäftigt, und sein Herz immer von lebhaften Empfinduns gen, selbst durch Leidenschaften in Bewegung geseßt.

Ju welche tiefe Schwermuth verfiel Zollikofer nicht nach dem Tode seiner ersten Frau! Wie sehr wurde seine ganze Natur durch die entstehende neue Zärtlichkeit belebt? Wer håtte in ihm so lebhafte Gefühle des Herzens vermuthet?

Eben so loderte das Feuer der Freundschaft innerlich, vo es gleich ausserlich selten in Flammen ausbrach. Er konnte die, welche er noch so sehr liebte, lange Zeit nicht begehren zu sehen; er konnte, wenn sie abwesend waren, den Briefs wechsel mit ihnen lange unterbrochen. Aber er war zu gleis cher Zeit zu den schwersten Diensten für sie bereit; und vers

wandte

wandte sich, sobald er dazu aufgefordert wurde, mit der grössten Theilnehmung und unermüder, zu ihrem Besten oder zu ihrem Vergnügen.

So waren alle seine Leidenschaften, selbst seine Wißber gierde, in ihren Aeußerungen gemäßigt, ruhig, beinahe talt: aber in ihrer innern Wirksamkeit start, dauerhaft und ans haltend.

Niemand, den ich kenne, hat den Charakter, den Cis cero von einem tugendhaften Manne vor allen Dingen fors dert, immer mit sich selbst übereinstimmend zu seyn, in einem so hohen Grade zu eigen gehabt, als Zollikofer. Was eis gentlich Laune fei, wusste er nicht. Weder sein Gesicht noch sein Betragen ånderte sich von einem Tage zum antern. Er war nicht bei dem einen Besuch gesprächig und aufmerksam, bei einem andern zerstreut und tiefsinnig. Man fand ihn nicht das einemal zu Ergiessungen des Herzens geneigt ein andermal verschlossen. Zu allen Zeiten war er derselbe, ims) mer in der Mittelstraße, immer unter der Herrschaft der Vers nunft, immer in einem gewissen Gleichgewichte seiner Neis gungen.

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Dazu trug fehr viel bei, daß er nicht den Ehrgeiz hatte, durch irgend eine seiner guten Eigenschaften auf der Stelle zu glänzen. Er schien nicht daran zu denken, wie er dem ans dern scheinen möchte: er dachte nur daran, wie er seyn wolle. Er verbarg seine Erschöpfung nicht, wenn er erschöpft war,-und schwieg. Er strengte sich nicht an etwas gefålliges bei jeder Gelegenheit zu sagen: aber, wenn sich ihm in dem Zus sammenhange des Gesprächs, ein wahrer Gedanke, der zus gleich angenehm seyn konnte, darbot, so sagte er ihn mit Ans stand und sichtbarem Wohlgefallen.

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einen fols

Menschen die täglich in Gesellschaft seyn wollen, und aus bem Umgange ein Geschäfte machen, werden en Mann nicht unterhaltend genug finden.

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wohnt,

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