wollen wir lieber noch eine kleine Auswahl von vortrefflichen Stücken aus un sern besten Fabeldichtern machen. Der Affe. Eis mals ein Affe kam gerant, Da er viel guoter nuisse fand; Die het er geessen gerne. Im was geseit *), der kerne Wer suefslich unde guot," Besweret **) was sien tumber muot, Da er die bitterkeit bevand Der praetschen ***), und darnach ze hand Begreiff der schalen' hértikelt, Von nuissen ist mir viel gescit, Sprach er, das ist mir nit wohl kunt; Sie hand verhönet ****) mir den mund. Hin warf er uf derselben vart ****) Die nuss, der kerne im nit wart. Demselben Affen sint gelich, Sie sigent iung, alt, arm, ald ******) rich, *) gesagi. **) betrübt. ***) grüne Schalen. (****) verdorben. *****) Weg. ******) oder. *.* Die dur*) kurze bitterkeit Verschmachent lange suefsigkeit. BONERS Fabeln aus den Zeiten der Minnesinger. Der Hahn und der Fuchs. Ein alter Haushahn hielt auf einer Scheune Da kömmt ein Fuchs mit schnellem Schritt, Und ruft: O krähe, Freund! nun ich dich fröh lich mache; Ich bringe gute Zeitung mit. Der Thiere Krieg hört auf; man ist der Zwię tracht müde. In unserm Reich ist Ruh und Friede! Ich selber trag' ihn dir von allen Füchsen an. O Freund, komm bald herab, dafs ich dich herzen kann! Wie guckst du so herum? Greif, Halt und Bellart kommen, Die Hunde, die du kennst: versetzt der alte Hahn; Und als der Fuchs entläuft: Was, fragt er, ficht dich an? *) wegen, um willen. 1 Nichts, Bruder! spricht der Fuchs: der Streit ist abgethan; Allein ich zweifle noch, ob die es schon ver nommen. HAGEDORN, Die Nachtigall und der Kukuk. Die Nachtigall sang einst ihr göttliches Ge- Zu sehn ob es die Menschen fühlten, Die spielten fort, und hörten nicht. Die Knaben lachten laut, und machten, ihm zu Ehren, Das schöne Kukuk zehnmal nach. Hörst du? sprach er zu Philomelen, Drauf kam Damöt mit seiner Schöne. Der Kukuk schrie sein Lied; sie gingen stolz vorbei. Nun sang die Meisterinn der zauberischen Töne Vor dem Damöt und seiner Schöne In einer sanften Melodei. Sie fühlten die Gewalt der Lieder: Damöt steht still, und Phyllis setzt sich nieder, Und hört ihr ehrerbietig zu. Ihr zärtlich Blut fängt an zu wallen; Ihr Auge lässt vergnügte Zähren fallen O! rief die Nachtigall: da, Schwätzer, lerne du, Was man erhält, wenn man den Klugen singt. Der Ausbruch einer stummen Zähre Bringt Nachtigallen weit mehr Ehre, Als dir der laute Beifall bringt. 1 Zevs und das Schaf. Das Schaf mufste von allen Thieren vieles leiden. Da trat es vor den Zevs, und bat, sein Elend zu mindern. Zevs schien willig, und sprach zu dem Schafe: Ich sehe wohl, mein frommes Geschöpf, ich habe dich allzuwehrlos erschaffen. Nun wähle, wie ich diesem Fehler am besten abhelfen soll. Soll ich deinen Mund mit schrecklichen Zähnen und deine Füsse mit Krallen rüsten? O nein, sagte das Schaf; ich will nichts mit den reissenden Thieren gemein haben. Oder, fuhr Zevs fort, soll ich Gift in deinen Speichel legen? Ach! ́versetzte das Schaf; die giftigen Schlan gen werden ja so sehr gehasset. Nun, was soll ich denn? Ich will Hörner auf deine Stirne pflanzen, und Stärke deinem Nacken geben. "Auch nicht, gütiger Vater; ich könnte leicht so stöfsig werden, als der Bock. Und gleichwohl, sprach Zevs, mufst du selbst schaden können, wenn sich Andere, dir zu schaden, fürchten sollen. Müfst' ich das? seufzte das Schaf, O so lass mich, gütiger Vater! wie ich bin. Denn dás Vermögen, schaden zu können, erweckt, fürchte ich, die Lust, schaden zu wollen'; und es ist besser, Unrecht leiden, als Unrecht thun, f Zevs segnete das fromme Schaf, und es vergals von Stund an, zu klagen. LESSING. |