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das 19. die technische und die soziale Evolution und 2. Wie viel macht das Beständige aus in all den territorialen Umwälzungen, ist es nicht ein ewiges Hin und Her schon nach seiner eigenen Darstellung und hat nicht sogar England Amerika wieder verloren? Was aber wirklich beständig, ein Fels im Meere, von Dauer ist im ewigen Wechsel, das sind die Eroberungen des Menschenkopfes, nicht der Menschenfaust und so darf man hoffen, dafs zu all den grofsen und alles überragenden dauernd gebliebenen geistigen Errungenschaften das 20. Jahrhundert die grofse Erhebung zur Solidarität der Völker, die Erlösung von dem Zustande internationaler Anarchie, den Aufschwung zum internationalen Rechtszustande als seine geistige Liquidation hinzufügen wird, deren Wetterleuchten die Haager Resolutionen bedeuten und dafs auch Deutschland dann keine Wal nötig haben werde, entweder Hammer oder Ambos zu sein.

Ja wohl, nach einem Telegramm vom 29. Dezember noch rasch vor Jahrhundertschlufs, wurde im französischen Ministerrate die Vermehrung der Flotte um 12 neue Kriegsschiffe von gröfstem militärischen Werte", wie es hiefs, dann Torpedobooten und Torpedozerstörern beschlossen; aber abgesehen davon dafs der eine Beschlufs eigentlich immer eine unbewusste Ironie auf den anderen in sich schliefst, so belehrt uns glücklicherweise unser Herr von Bloch über den wahren Wert all' der grofsmächtigen Panzer dahin, dafs sie sich schon wegen des ungeheueren Kohlenbedarfs gar nicht auf dem Meere werde halten können. Und dann ist es denn denkbar, dafs das noch lange so fort geht?

Um gleich bei der Flotte zu bleiben, so hat uns auch der deutsche Admiral Staatssekretär des Marineamtes von Tirpitz, ein neues Argument geliefert.

Vor Allem bestätigt er wenigstens für den Seekrieg vollständig die Ansichten Blochs. Er sagt wörtlich: „Über den Landkrieg habe ich kein Urteil, der Natur des Seekrieges aber widerspricht die Kürze der Dauer. Der reine Seekrieg trägt in sich die Wahrscheinlichkeit der langen Dauer. Seine Absicht ist ja die Vernichtung der Weltwirtschaft des betreffenden Staates." Eine solche Vernichtung soll die Blokade be

wirken. Nun polemisirt er gegen Bebel, der sich energisch wider die Flottenvorlage wehrte, nimmt an, die deutsche Flotte sei geschlagen und meint: „Tausende blühender Industriezweige würden durch die Blokade zu Grunde gerichtet werden. Auf dem Landwege sind die Milliarden Centner Rohmaterial nicht herbeizuschaffen. Auch ist es nicht möglich, dafs die kleinen neutralen Staaten den Durchgangsverkehr aufrecht erhalten. Und auch nach Beendigung des Krieges würden die Arbeiter, wenn unsere Absatzgebiete durch seemächtige Nationen genommen sind, am meisten leiden. Die Folgen einer solchen Blokade für einen Industriestaat kann man sich gar nicht schlimm genug vorstellen. Die Massen würden von einer Verelendung ergriffen werden."

Gut; hört das wohl, Ihr Massen, prägt Euch das gut ein! Wie nun aber, wenn trotz aller Verstärkung die deutsche Flotte doch geschlagen wird! Wenn ihr die englische oder mehrere Flotten gegenüberstehen? Bietet die Grösse der Flotte eine Garantie? Darf man die Massen" solchen Schicksalstücken eben überhaupt aussetzen? Ist da das Tribunal nicht besser?

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Aber es gibt Gott sei Dank auch der eclatanten Lichtpunkte genug, auch seit der Haager Konferenz. Warum werden denn diese von der nörgelnden Presse so vernachlässigt?

Da haben wir z. B. den öffentlichen Dreyfufs-Prozefs, der die bodenlose Demoralisation und totale Unverlässlichkeit des Militarismus klar und für immer unverwischbar enthüllte und die endliche Begnadigung des Angeklagten, welche, man mag wie immer von seiner Schuld denken, im Zusammenhange mit den Unterströmungen dieses Rechtsfalles doch einen im schweren Kampfe erfochtenen, aber dafür um so schätzbareren und dauerhafteren Sieg der Civilgewalt über die Soldateska bedeutet und um so schätzbarer, als diese mit dem Royalismus, nationalen Chauvinismus und Klerikalismus im Bunde war.

Da haben wir ferner eine Reihe neuer friedlicher Konventionen, z. B. das Karolinenabkommen, die deutsch-englisch-amerikanische Vereinbarung über Samoa, die ja Graf Bülow selbst als sehr schwierige Werke bezeichnet, schon am 31. August 1899 das Alaska-Übereinkommen zwischen Kanada, resp. England

und den Vereinigten Staaten, welches mit der so wichtigen Frage des Nicaragua-Kanals in Zusammenhang gebracht ist, die gütliche Beilegung der italienisch-amerikanischen Tallula-affaire, bei welcher italienische Staatsbürger widerrechtlich von amerikanischen Behörden hingerichtet wurden etc.

Ferner sind wohl von Belang die Exposés sämmtlicher Minister der auswärtigen Angelegenheiten, die trotz aller Flottenvermehrungen doch eine eminent friedliche Lage - mit Ausnahme Südafrikas konstatieren.

Für uns besonders erfreulich sind weitere Schiedsgerichtsklauseln, z. B. unmittelbar nach Abschlufs des Haager Kongresses eine solche zwischen Rufsland und England in einer chinesischen Angelegenheit, ein ständiger Schiedsvertrag zwischen Argentinien, Brasilien und Chile, dann im Samoavertrag bezüglich aller Entschädigungsfragen, ein Vertrag über die Fischerei im Behringsmeere.

Nicht unerwähnt bleibe die Meldung vom 6. Januar 1900 dafs der Papst den Kardinal Vaughan mit dem Versuche der Vermittelung im Transvaalstreite beauftragt habe.

Eine eigentümliche Rolle spielt eine Nachricht vom 16. September 1899: man weifs nicht recht, soll man sie unter die ungünstigen oder günstigen rechnen. Mehr oder weniger hat eben jedes Ding zwei Seiten. Der Kaiser von China erliefs einen Befehl zur Bildung einer Art Nationalgarde. Jedermann wird verpflichtet, im Heere zu dienen. Im Falle des Krieges sollen diese Truppen als Hilfstruppen verwendet werden. So sehr dies wieder die Kriegsspannung vermehrt, wie jede neue Rüstung, so sehr sich die Anhänger des Krieges also darüber freuen müfsten, so führt es sie eigentlich nur ad absurdum und bedeutet für uns ein neuerliches Element der Hoffnung auf endliche Einsicht, dafs nunmnhr auch China in die allgemeine Wehrpflicht und das allgemeine Weltrüsten eintritt oder einzutreten droht und es zeigt, wohin die Gewalt- und Rivalitätspolitik Europas auch in China führt Denn wenn nun die europäischen Staaten auch Letzterem werden immer gewachsen sein wollen und wenn China sich wirklich energisch aufrafft, dann müssen die Europäer fast mehr Soldaten aufbringen als sie Menschen haben.

Als ein hocherfreuliches Symptom möchte ich auch die Haltung der russischen Blätter, von der ich schon einige Proben gab, im Allgemeinen erwähnen, ferner den negativen Umstand, dafs man wenigstens nichts von beträchtlichen Truppenverstärkungen zu Lande liest.

Und da verweise ich auf eine Ausführung des russischen Generals Dragomirow im „Raswedtschik", welcher die Forderung einer Verstärkung und Neubewaffnung der russischen Artillerie wie folgt beantwortet: „Wir sind arm und können uns den Luxus einer häufigen Neubewaffnung nicht erlauben; jedesmal riecht sie ja nach einer Mehrausgabe von 100 bis 120 Millionen Rubel. Die Armee ist ja doch für das Volk da und nicht das Volk für die Armee und bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse (manchmal sind es auch Launen, die auf ungenügendem Nachdenken beruhen, Produkte der ersten Eindrücke) kann man nur unter Entkräftung des Volkes verschwenderisch sein. Wenn wir Alles vorzeitig nehmen, so werden wir nichts mehr zu nehmen haben, sobald das wirkliche Unglück kommt." So spricht ein russischer General, wohlgemerkt! Und er sagt weiter: „Auch mit der Vermehrung seiner Kräfte soll man nicht eilen; wenn wir es nicht nötig haben, alljährlich weitere 30 000 Mann auszuheben, so ist das kein Mangel, sondern ein Glück. Das bedeutet einen jährlichen Verdienst des Volkes von wenigstens 30 Millionen Rubeln und im Budget ist es ein Ersparnis von weiteren 30 Millionen. Im Vergleiche zum Bürger mufs ja jeder Soldat doppelt gerechnet werden. Nicht nur, dafs er selbst nicht arbeitet, ein Anderer mufs auch für seinen Lebensunterhalt arbeiten. Wenn man seine Streitkräfte auf diese Weise unverständig und mafslos verstärkt, so ist der Ruin nicht weit. Es hat keinen Sinn ins Wasser zu springen, um sich vor dem Regen zu schützen." Drastischer ist wohl der Wahnwitz des Wettrüstens noch nicht gebrandmarkt worden, als von diesem russischen General.

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Hoffen wir, dafs diese Erkenntnis „auch anderswo“ bald ehe es zu spät ist.

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Ich hebe noch hervor, was ich oben vergafs, dafs auch zwei sehr wichtige Schiedstribunalurteile erflossen sind, die

beide Teile vollständig befriedigten, nämlich im Venezuelaenglischen und im columbisch-englischen Konflikte.

Ich glaube aber, besonders freudig können die Friedensfreunde dem Morgenrote des Jahrhunderts, der Pariser Weltausstellung entgegenblicken, von welcher Präsident Loubet beim diplomatischen Neujahrsempfange sagte: Von der gran

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diosen Kundgebung der Entwicklung der Wissenschaften und Künste und der Industrie wird sich für alle die eine Idee loslösen, dafs in Hinkunft Gröfse und Macht sich vornehmlich durch friedlichen Wettstreit der Arbeitenden erreichen lassen."

Und dieser grofsen friedlichen Zusammenkunft präludiert ja, so versöhnend mit allen Flottenreden in den verschiedenen Parlamenten und aufserhalb derselben, die konstante vom Deutschen Kaiser besonders poussierte Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland einerseits, aber auch zwischen Deutschland, Amerika und England andererseits.

Das

Man darf also mit Baronin Bertha von Suttner sagen: „Das echte Wachstum ist langsam und geräuschlos. Zusammenbrechende macht viel mehr Lärm.“

Das gilt wohl in ganz besonderem Grade auch von dem Verhältnisse zwischen den ruhigen Beschlüssen im Haag und dem ohrenbetäubenden Lärm, der von Südafrika herüberkommt, sowie dem Höllenspektakel, den die Presse damit zu machen versteht; beider Rumor ist gleich vergänglich die Haager Beschlüsse werden bleiben und wirken, werden gedeihen und im Interesse der Menschheit wachsen.

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„Die Kulturgeschichte der Menschheit", sagt Geheimrat Dr. Emil Steinbach in der bereits citierten Schrift „Zur Friedensbewegung" S. 72, zeigt uns überall die allmälige Einschränkung und Verdrängung der Gewalt und die Ersetzung ihrer Funktionen durch andere Mittel. Vertrag und Gericht in ihren frühesten Formen erweisen durch die bei denselben üblichen Gebräuche und symbolischen Handlungen, dafs sie an die Stelle des früher überall herrschend gewesenen Gewaltkampfes getreten sind. Das läfst sich in der Entwicklung des römischen Rechtes ebenso nachweisen, wie auf dem Gebiete des germanischen Rechtes. Es fehlt an Gründen zu der

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