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Dusch.

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Dusch.

S. Th. II. S. 441. Der Inhalt seines Lehrgedichts, die Wissenschaften, in neun Büchern, scheint, auf den ers ften Anblick, von einem noch ungleich größern Umfange zu seyn, als das von Lichtwer gewählte Subjekt. Aber Dusch hatte nicht die Absicht, die Regeln aller Wissenschafs ten didaktisch vorzutragen, sondern nur, wie Hr. Engel in feiner Voetik, S. 109. sehr wahr bemerkt, sie zu besingen. „Nur hie und da hat er eine wichtige Hauptwahrheit, die ganz vorzüglich zu seinem Zwecke gehörte, die Wissenschafs ten als Wohlthäterinnen des menschlichen Geschlechts zu fchildern, herausgehoben, und sie als eigentlich didaktischer Dichter behandelt.“ Genau genommen, gehört daher dies ses, an schönen Stellen reiche, Gedicht mehr in die erste, oder philosophische, als in die gegenwärtige, artistische, Klaffe. Das ganze zweite Buch, woraus folgende Stelle ausgehoben ist, betrifft die Dichtkunst.

Aus dem Gedicht: Die Wissenschaften.
B. II.

Gott sah von seinem Throne mitleidig auf die

Nacht,

Worin der Mensch verirrte, zur Seligkeit gemacht;
Beschloß, ihn durch sein Wort dereinst zurück zu leirenz
Doch must Erkenntniß erst die Seele vorbereiten.

Gleich stieg in einem Strahle, der durch die Fine
sterniß

Bom Himmel niederströmend, die dichte Nacht zerriß,
Erquickend, wie der Lenz, gefühlt durch alle Glieder,
Und Adern der Natur, Urania *) hernieder.

Ents

*) Venus-Urania. Man unterscheidet vier verschiedene Venus, Cic. de Nat. Deor. L. III. c. 23. Hier verstehet

man

Dusch.

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Entzückungen des Himmels, Ruh, Majeståt, und
Licht

Verklärten, wie der Engel, ihr göttliches Gesicht.
Ein schimmerndes Gewand floß, gleich dem Morgens
rothe,

Weitwallend um sie her. So steigt des Tages Bote,
Im Kleid aus tausend Strahlen gewebet, aus dem
Meer;

Bon seinen Säumen schimmert der Himmel rings umis
her.

Ein zärtliches Gefühl ging sanft durch die Naturen;
Und füßer Blumen Duft, gehauchet von den Fluren,
Empfing, gleich einem Rauche, der von Altåren wallt,
In einer Weihrauchswolke die himmlische Gestalt.
Der Wissenschaften Chor, versammlet ihr zur Seite,
Gab ihr bey Harmonie der Musen, das Geleite.

Da war es, wo die Dichtkunst die ersten Lieder
fang,

Und mächtiges Entzücken durch alle Wesen drang.
Ein Schauer, wie des Meers, als über seine Tiefen
Vom ersten Schöpferhauch bewegte Wellen liefen,
Floß durch den Raum des Himmels im hohen Saitens
spiel

Herab zu allen Wesen, und alles war Gefühl.
Die Haine såuselten, das Raubthier, noch im Grims
me,

Ließ das ergriffne Lamm, und horchete der Stimme:
Ins Herz des rohen Menschen, zerschmettert von der
Kraft

Des mächtigen Gesanges, kam sanfte Leidenschaft.

Die zaubrische Kunst gebietet den Entschlüssen:
Die Seele außer sich, folgt ihr, mit fortgerissen,
Durch tausend Leidenschaften: Betrübniß oder Wuth,
Verzweiflung oder Freude, hemmt oder jagt das

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man eine Macht, welche für die Vollkommenheit der Welt forget: die Weisheit.

So kühn, als die Natur, von ihr selbst unterrichtet,
So reich, so schön, so stark, erschafft sie, was sie dicht

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Ruft Welten und Naturen, die nirgend sind, ins Seyn,
Und haucher ihnen Leben, Gedank', und Seele ein.
Die Herzenskundige spricht, jeder Denkart Meister,
Die Sprachen aller Zeit, Gedanken aller Geister.
Nichts hat der hohe Himmel vor ihres Angesichts
Allgegenwart verborgen, die tiefe Hölle nicht: *)
Die Welt, mit deren Staub der Hauch der Winde
spielet,

Die Welt, die künftig wird, ist da, wenn sie befiehlet.

Bald singet sie die Schöpfung, die åhrenschwangre

Flur,

Wald, Berg, und Thal; and preiset den Schöpfer der Natur:

Der stille Hayn merkt auf, der Bach vergißt zu raus schen;

Der Vogel schweigt, die Wind' in allen Büschen laus
schen.

Das güldne Alter kehret, auf ihren Wink, zurück,
Und Könige beneiden des Hirtenstandes Glück,
In dem, gleichunbekannt dem Ueberfluß und Neide,
Die Einfalt an der Hand der Unschuld und der Freus
de,

Umdüftet von Gerüchen des jungen May, ergöht
Von lachenden Gefilden, den Fuß auf Blumen seßt.

Im angenehmen Thal, wo frohe Heerden gras
sen,

Bedeckt vom Rosenbusch, auf einem Siß vom Rasen,
Im leichten Schäferkleide, sißt heiter, denkend, still,
Voll ihres Dichtergeistes, die blühende Idill,

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Dusch.

Dusch.

Des Thales Sängerin, die zårtlichste der Musen:
Ein Strauß von Veilchen hångt am halb verhüllten
Busen;

Mit ihren Locken spielet der West: schön, ohne

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Süß, wie des Bachs Gemurmel, rinnt kunstlos ihr

Gesang

Durch fanfte Töne fort, gestimmt nach ihrem Herzen,
Und athmet ihr Gefühl von Unschuld, süßen Schmers
zen

Der Liebe, von Vergnügen und Freuden, welche nur
Die Tugend schmeckt, im Schooße der reizenden Nas

tur.

Bald bebt ihr schweres Lied durch schauervolle Td;

ne,

Durch Klag', und Seufzer hin: des Mitleids edle

Thråne,

Entlockt aus Månneraugen, trieft nieder, und beneßt
Das Reiß, so Freundes Hånde aufs Grab des Freunds

gesezt.

Bald schwingt sie sich ins Feld, wo auf gebirgten

Leichen

Die wilde Zwietracht steht, und giebt zum Mord das
Zeichen;

Weil unter Glut der Höllen, die Furie der Schlacht
Mit hundert tausend Hånden zerstörend niedermacht;
Beschäumten Hengsten nach, auf Leichen von Geschwå-

dern,

Der Siegeswagen fliegt, und Blut trieft von den Rås

dern.

Singt hier mit Donnertönen in der Trompeten Klang
Das hohe Lob des Siegers, den wilden Schlachtger

sang;

Und heiliget den Ort, wo Heldenblut geflossen,

Blut, so des Landes war, und ward fürs Land vergof

sen.

Dann

Dann spottet sie der Thorheit, und reißt dem Bd;
sewicht

Im heilgen Gewande die Larve vom Gesicht.
Ihr freyer Satyr straft die Later selbst des Gihen,
Den Größ und Stärke schüßt vor Richtern und Geser
Ben;

Der Macht, zu deren Füßen die bange Themis liegt,
Die Wahrheit schamroth schweigt, im Staub der Pos
bel kriecht, *)

Und, wie des Niles Volk dem Krokodil, den Sünden
Der Fürsten sich bequemt, ein Rauchwerk anzuzünden.
Ihr scharfer Sport verrichtet, was nicht Lycurgs Ges
bot,

Lacht alte Thoren weise, und Schamvergeßne roth.

Den Wütrich lehret sie die eigne Schuld empfin

den,

Und straft sein hartes Herz in Strafen andrer Süni
den,

Wenn sie in Trauerspielen die Todten auferweckt,
Und ihn in fremden Bildern mit seinem eignen schreckt:
Wenn er bey fremden Fall, von Ahndungen ergriffen,
Den Stahl, der **) Gußmanns_trift, sieht auf sich
selbst geschliffen:

Wenn er von jedem Dolche, der Casars ***) Bruft
durchwühlt,

Den Stoß in Todesångsten an seinem Herzen fühlt.

O'Herzenzähmerin! wer kann dir widerstehen? Wer ohne Seufzer kann Oedipens ****) Elend ser hen?

Wer

*) Wem diese und ähnliche Reime eine Entschuldigung
nöthig zu haben scheinen, den will ich an die gegründete
Anmerkung Voltairens erinnern, daß wir nicht für das
Auge, sondern für das Ohr reimen.
**) Man sehe Voltairens Alzire.
***) Shakespears Cåsar.

****) Sophokles Oedipus.

Dusch.

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