S. H. I. S. 58. Der größte Theil seiner poetischen Werke besteht aus Episteln, und diese sind fast alle meisters haft in ihrer Art. Mit der leichtesten Freiheit des Gedan: kens und des Vortrags vereint sich in ihnen die treffendste Stårke des innigsten Gefühls sowohl als des feinen Spottes und der weiseften Belehrung. Ihr Ton ist sehr versdieden; unter allen aber scheint mir keiner so viel Neuheit und Intes refie zu haben, als der, den ich hier zur Probe mittheile.
Endlich muß ich doch es einmal sagen, Was ich långer nicht verschweigen kann. Treuer Heinricy! Von den guten Tagen, Die du hattesi, nqht der leßt' heran ! Tåglich siehst du wachsen meine Jungen Und die Zahl von ihren Foderungen, Aber, Heinrich, meine Renten nicht. Kahl gebürstet hast du meine Kleider, Und mein Hut, du weist es selber, bricht. Dennoch, wie so oft du auch den Schneider Rufet, riefst du doch für mich ihn nicht. Uber, wenn ich in dem alten Rocke. So da steh' an dem Renettenbaum, Und die Jungen kommen auf dem Stocke, Meinen Attenriemen statt den Zaum, Ihrer Mutter Strumpfband statt der Peitsche, Angeritten — ha! das geht durds Mart! Alle reiche Kleider, die der Deutsche Bon Paris holt, sind dagegen Quart!
Wie du weißt, verschenkt' ich meinen Blessen; Und dod, war der Blesse mir so werth!. Für den Hafer, den er sonst gefressen, Kauft' ich Frißen manch gemahltes Pferd;
Gödingk., Gieng zu Fuß im Feld umher spakieren,
Und mit Freuden war ich lendenlahm, Wenn am Abend nur mit seinen Thieren Friß mir im Galop entgegen fam, Aller Nationen Pferde kannte, aller Arten Hunde Namen nannte, Und vom Tigerthier in Afrika Schreckliche Geschichten mir erzählte Und mich tafsend, und mich streichelnd quålte: Nun ergåhl du auch mir was, Papa!
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Werde, guter Heinrich, drum nicht bose, Daß ich auch von dir mich trennen muß. Ich, der nie Fortunens Gürtel Idse, Dem ste selten einen lauen Kuß Nur erlaubet, soll ich armen Bauren Guten Rath, nach Louidorgewicht, Künftig geben? und sie talt bedauren, Benn für sie fein fetter Truthahn spricht? Soll ich um ein Höschen für die Jungen, mit dem Schneider lårmen, janken, drohn, Bis ich noch den Groschen abgedrungen, Ach! vielleicht des Mannes ganzen Lohn! Wilst du mich vor Sonnenaufgang wecken, Noch ein Licht auf meinen Leuchter stecken, Wann bei teinem Nachbar Licht mehr brennt, Jede Meß ein Büchlein auszuhecken, Das man in der nächsten nicht mehr tennt?
Sieh! dieß alles, was ich ohne talten I Schauer kaum einmal recht denten kann,
Müßt'ich thun, dich långer zu behalten, Darum fasse dich, und sei ein Mann! Wolltest du nicht oft von inir sonst wissen, Bas man Weisheit nenne? Adre midy! Wenn es seyn muß, selbst auch das zu missen, Was man liebt und schåget, wie ich dich ! Hast du nicht bei mir gelernt, so lerne Wenigstens dieß Eine noch von mir. O! Zufriedenheit folgt in die Ferne Dann gewiß auf jedem Schritte dir.
Der du dich für mich des Schlafes gerne, Wie so süß der Dein' auch ist, entschlugst, ind in hohem Schnee die Blendlaterne Por mir her, so rasch und willig trugst, Als ich die, die ich nun ganz befiße, Nur zu sehen, keine Nacht fast schlief, Und durch Fluß und Wald, in Frost und Hibe, Oft mit dir in dunkeln Nachten tief: du müsseft, wår' er noch so selten, Doch den Herrn bald finden, der fortan Freund, wie ich dir rei, und das vergelten, Was ich, leider ! nur verdanken, kann!
Nicht bloß in der dramatischen Dichtkunst, seiner Lieb: lingssphäre, bat sich der Gothaische Legationsrath Friedrich Wilhelm Gotter, geb. 1746, mit vielem gerechten Beis fal Bervorgethan; auch durch seine übrigen, jekt von ihm gefammelten, Poesieen verdient er unter unsern bessern heus tigen Dichtern eine ausgezeichnete Stelle. Ran findet in dem ersten Bande einige schåne Epifteln; voit welchen ich die trefflichfte, über die Startgeisteret, gewählt hatte, wenn ich nicht der Raums schonen müsste. Aber auch in der fols genden ist der herzliche Ton, und die Sprache des innigstenSefühls und der edelften Sefinnung, mtufterhaft.
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Freund, welcher Nordwind, fchwarz vom Gifte, Gieilt seines Uushauchs bange Düfte Auf deines Lebens schönste Zeit, Und raubet dem verwelkten Herzen Den Eifer und die Thårigkeit? Tief wütende, geeime Somerzen Zernagen langsam deine Kraft, Dein ganzes Triebwerf ist erschlafft. Du denkst - zerriffene Gedanken
Zerrissene Durchfreuzen fich, von Troste leer. Du gehst, und deine Schritte wanken, Und hinter dir hinkt Reue her. Berlaßen, (deu, dich selbst verzehrend, Durch nichts zum Leben angefacht, Um Morgenroth die Nacht begehrend, Nod) matt'von der, die du durchwacht, Gleichgültig wenn ein Tag verloren,
Bor jedem neuen Tage bang; Verzeihe meines Herzens Drang, 1, du, vor allen mir erfohren! Und lausche mit geneigten Ohren Der Freundschaft trditendem Gefang, Dem Rath, den die Vernunft geboren!
Und du, die mit gelinder Hand Mir tiefe Wunden oft verband, D Sdrtin ! Wohlthun ist dein Name D Freundschaft! jeder Tugend Saame! Du, unsers Werens befter Theil, Erhabne Leidenschaft des Weisen! Dir fleh' ich, deine Macht zum Heil Des besten Mannes zu beweisen! O! låchle mir Erhörung zu, Daß wir dich Schöpferin der Ruh, Und Schubgdttin des Lebens preisen! Ein Herz, das lang’ im Stillen litt, Mit Schwachheit und mit Irrthum ftritt, Gern weihst du es zum Heiligthume, Bewåhrest dich zum schönern Ruhme, Gern unter Leidenschaften groß. In gifterfüllter Kräuter Sdoos Blüht so die edle, tleine Blume. Fort aus der Freundschaft Heiligthume, Ihr Stolzen, deren falte Brust Nicht brüderliche Nachsicht nåhret, Die ihr aus Furcht nur Tugend ehret, Und duldlos bleibt, weil keine Lust Das matte Blut in euch empdret ! Das Paar der ersten Freunde war Gewiß ein unglückselige Paar; Zwei Seelen ihres Daseyns måde, Durch gleiche Leiden sich verwandt, Vor gleicher Neigung lang' entbrannt; Sie fanden sich, und fanden Friede, und schlangen schmelzend Arm in Arm, Und trauten, von Empfindung warın,
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