(Auf einer der ersten Stufen dichtrischer Vollkommens heit steht Hr. Christoph Martin Wieland, Herzogl. Weiz marischer Hofrath, geboren 1733. Keinem Dichter verdankt die erzählende Poesie der Deutschen so viel, alle vorigen Vers fuche weit übertreffende, Ausbildung als ihm. Seine ernsthaften, moralischen Erzählungen find zwar Werke seiner frü hern Manier und Jugendperiode, schon im Jahr 1752 ges schrieben; aber immer noch der Aufmerksamkeit des Kenners würdig. Von der hier mitgetheilten ist der Stoff aus dem englischen Zuschauer entlehnt.)
In jener Zeit, da sich die Morgenländer Noch vor dem Thron der Abbassiden bückten, Herrscht' ein Caliph in Bagdads stolzen Mauren Der die sicilischen Tyrannen selbst
An Grausamkeit zu übertreffen strebte.
Vor feinem Wink erbebten hundert Völker, Sein liebster Ruhm war fürchterlich zu sein, Sein Leben ein beståndger Todesschauer,
Den Furcht und schwarzer Argwohn unterhielten. Auf wen sein Auge fiel, in dessen Antlitz Entdeckt er gleich die Minen des Verbrechens. Schon bebte sein Gewissen, wenn zween Freunde Bertraulich sprachen; jedes schwache Lispeln, Jedweder Laut von nächtlicher Gesprächen Schien wider ihn sich heimlich zu verschwören, Und den Verdacht versöhnte nichts als Blut. So hatt er oft vom unbesorgten Lager Den Ehmann, der kein nahes Uebel träumend An seiner Gattin Bruft der Ruhe pflegte,
Zum Richtplah hingeschleppt; so tödtete
Sein Schwerdt zween Freunde, die sich zärtlich lieb
Im Tode noch, den sie umarmt verlachten. Doch niemand traf sein Argwohn und die Rache Mit größrer Wuth, als seine Günstlinge; Er sah' das Blut von dreißig Königinnen Sein Mordschwerdt fårben, eben so viel Söhne Entriß sein Grimm, noch in der ersten Blühte, Den schönen Hoffnungen der spåtern Jahre. Ein junges kaum der Brust entwöhntes Paar, War noch allein von dieser Anzahl übrig, Als er, den Stamm der herrschenden Caliphen Dem Throne zu erhalten, fest beschloß,
Dieß Paar, des Hauses Rest, vom Hof entfernt, Und sicher vom Verdacht erzieh'n zu lassen. Er ruft dem Elim. Dieser war sein Leibarzt, Der weiseste, den damals Persis nåhrte, Noch glänzt sein Nam' aus seiner Ewigkeit Die Entel an, die seinen Fußtritt lesen. Aus langer tieferforschender Erfahrung War ihm der Sterne Lauf, der Kräuter Tugend, Des Leibes Wunderbau, der ganze Reichthum Der würksamen Natur in Luft und Wasser, In Wald und Thal bekannt, sie hatte nichts Das seinem tiefen Blick verborgen blieb. Groß war sein Geist, doch größer noch sein Herz. Dem König selbst, dem niemand redlich war, War seine Tugend wohl geprüft und heilig; Dem trug er auf die Söhne zu erzieh'n, Damit sie fern vom höfischen Gepränge, Der Klippe, wo so oft die Unschuld scheitert, Mit Wissenschaft und Arbeit sich bemühten, Und, ohne sie dem Vater abzudringen, Von Herrschsucht frei, der Krone würdig würden.
Der Weise führt die königliche Söhne In seine Wohnung, wo er sie, geschieden Von Hof und Welt, in einen stillen Hain Zur Einsamkeit verschloß. Hier zieht er beide. Im Schooß der Weisheit und der Tugend auf Voll Unschuld, an sanften Freuden fruchthar: Fließt ihre Jugendzeit unmerklich hin.
Wieland. Sie liebten Elim, wie man Våter liebet, Und sich so zärtlich, daß auf diesen Tag Von mehr als brüderlich vertrauten Seelen Der Perser spricht: sie lieben sich, Wie sich Ibrahim und Abdallah liebten.
Der weise Elim hatt' ein einzig Kind, Ein himmlisch Mädchen, wie die Liebe zårtlich, Schön wie der Mai, entzückend wie die Unschuld. Das beste Herz schlug in der schönsten Brust, Der schönste Geist sprach aus den sanften Augen, Von ihrem Munde floß, wie Frühlingsthau Aus jungen Rosen rinnt, die süße Rede. Gleich alt als wie die Prinzen blüht Balsora Mit ihnen auf. Sie liebten beide fie Wie eine Schwester. Doch Abdallah fühlte Noch mehr für sie; ihn nahm ihr stiller Reiz, Ihr Herz nach seinem Herzen ausgebildet, Ihr ganzes Thun, der Klang von ihrer Stimme, Ihr Blick, ihr Gang, mehr als den Bruder ein. Sie fühlten beid, im Lieben unerfahren, Doch für einander, von der Lieb' erschaffen, Mehr, als Geschwister, wenn sie sich umarmten Für sie nur übte sich sein Mund in Liedern, Die ihren Namen durch die Cedern tönten; Für ihn brach sie in ihrer frohen Unschuld Am Rosenbach neu aufgeblühte Blumen. Oft ruhten sie in zårtlicher Umarmung, Wie in der göldnen Zeit der jungen Welt Die Unschuld am geliebten Herzen ruhte; Oft sahe sie am Rand der Silberquelle Der Mond sich küssen und ihr Schicksal segnen.
Doch, grausame und dennoch süße Liebe! Sprich, gabst du niemals deine Wonne lauter?. Ja dieß ist dein Gesetz! erst nach dem Schmerze, Nach langem Schmerz und thrånenvollen Tagen Gewährst du uns in den gesehnten Armen Des Lebens Lust, der Liebe Götterfreuden.
Balsorens Schönheit, floh sie gleich den Ruhm, Wieland. War viel zu groß, um unbekannt zu bleiben; Wie Blumen oft, von keinem Aug bewundert, Einsiedlerisch in dunkeln Thälern welken.
Ihr Ruf drang auf den Flügeln des Gerüchtes Durchs ganze Land bis zu des Fürsten Ohren. Die Nachricht weckt die alte Brunst in ihm, (Er war zu wenig Mensch zur sanften Liebe) Er fliegt, von ungestümer Neugier glühend, Sie selbst in ihrer Einsamkeit zu sehen. Der Vorwand seine Kinder zu besuchen, Deckt seinen Zweck. Er sah' die Schöne heimlich, Und kam, entbrannt von ihrem Reiz, zurücke. Man hølt den Elim plößlich ins Serail, Ihm schwant sein Unglück, zitternd eilet er Und hört, im Staube: zu des Thrones Füßen, Des Herrschers Willen. Hebe dich, sprach dieser Und höre: deine lang geprüfte Treue Verdiente würdiger belohnt zu werden. Empfang' auf einmal mehr als sich dein Stolz Im kühnsten Flug zu hoffen je vermaß Von Stund an, Elim, theile deine Tochter Den heil'gen Thron des Mahomed mit mir.
Bestürzt hört Elim diese Donnerworte; Er kennt Balsorens Herz, doch muß er schweigen. Ihr Schicksal ängstigt ihn, kaum hält sein Muth, Der nie gewankt, die våterlichen Thrånen Zurück im Auge. Doch ihm lispelt schnell Der Geist, der ihn beseelt, die Worte zu: Fern sei von dir, o Herr, mit meinem Blute Den Götterstamm des Abbas zu entweihen!
Nichts hemmt des Herrs schers Willen, Die Fieberglut, die aus Balsorens Augen Sein Herz erhitzt, gåhrt schon in allen Adern Und glüht in jedem Blick. So glüht, ein Löwe Vor heißer Brunst, es lechzt der dürre Schlund, Die Flammen schießen funkelnd aus den Augen,
Wieland. Die Glieder strozen, und mit Wuth im Blick Sucht er lautbrüllend die erhißte Löwin.
Balsora muß sogleich vor ihm erscheinen, Der Vater selbst soll ihr das Todesurtheil, Des Fürsten Vorsaß, vor dem Thron entdecken. Sie kömmt. Man führt sie vor, ihr matter Blick Verråth die Sorgen der beklemmten Brust. Iht zittert Furcht auf ihren bleichen Wangen, Jht färbet sie die jugendliche Schaam. Der Fürst sieht sie erstaunt; so göttlich schön Sind, wie ihm dünkt, des Paradieses Nymphen, Die der Prophet den Gläubigen verspricht.
Doch kaum vernahm die unglücksel❜ge Schöne Das zugedachte Glück, so sank sie hin, Erbleichten gleich, zu des Tyrannen Füßen; Der Vater weint und spricht des Fürsten Grimm, Der aus den Augen droht, mit Fleh'n zufrieden: Die Ehre, die mein Mund ihr kund gemacht, Ist viel zu blendend und zu unvermuther; Ihr Herz ist noch zu schwach sein Glück zu tragen. Doch willt du mir zween Tage nur erlauben,
So will ich sie nach deinem Willen bilden Und würdiger in deine Arme liefern.
Der Fürst gesteht es zu. Man trågt Balforen In ihres Vaters Haus. Nach langer Mühe Schleicht wiederum das fast erlosch'ne Leben Durch die entnervten welken Glieder hin.
Doch, armes Kind, wie martert nun die Kenntniß Von deiner Noth dein Herz mit Todesqualen! Ach! die Arzney, die dir das Leben schenkt, Stärkt nur dein zärtlich Herz zu größern Leiden. Wie? ruft sie aus mit ångstlich schwachem Laut, Du, der du mich, den ich so zårtlich liebe, Dir soll die Hoffnung deiner stillen Seufzer, Der Lohn der reinen Treu entrissen werden? Ich, die ich dein zu sein mein einzig Glück, Mein Leben nannt', ich, deiner Seelen Hälfte,
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