v. Nicolai. von Nicolai. S. B. L. S. 69. 228. Der Tonder im ersten Bans de seiner vermischten Gedichte befindlichen poetischen Briefe ist meistens moralisch, und so auch in dem folgenden. Aber auch bekannte und oft gesagte Wahrheiten gewinnen, wie hier, durch Vortrag und Neuheit der Darstellungsart. Die erzählende Pocsie scheint indeß das eigentlichere Gebiete dies fes Dichters zu seyn; und in sie verwebt er Unterricht und Beobachtung fast noch mit mehrerm Glücke. An den Freiherrn von Fries, in Wien. Um einen Glücklichen zu sehn Mein unnüß Oel zu Ende gehn. Der Mann, den ich gesucht, lebt nicht auf diesem Sterne. Wer will, o seltsam Thier, o Mensch, dein Herz verstehn? Kaum lässt der alte Diogen Mit seinem Lichte sich auf einem Markte sehn, fen, Und jeder in dem tollen Haufen Will der gesuchte Mensch, das ist der Weise, seyn, Und jeder schwört, er seys allein. Ich will bei meiner Lampe Schein Nur ein vergnügtes Herz erkennen, (Ein leichtes Gut, nach welchem alle rennen) Und Und einsam lässt man mich mit meinem Lichte wans. Licolai., Und pack ich einen dern, an, so schwört er, jedem an .dern Sei mehr Glückseligkeit verliehn. So sagt, wo wohnt sie denn? ! schreien die Poeten, Im stillen Hirtenstand, in dunkler Hütten Schoos floß. Laß sehn! Allein anstatt der frohbelebten Flöten, Der Sylvien und der Damöten, Seh' ich ein elend Volk, das für die Trågen pflügt, In ekeln Lappen steckt, durch Steuren ausgezeht ret Sich kümmerlich mit hartem Brodte nåhret, O glücklicher Cotill! (Dieß ist des Pöbels Lehre) Er hat des Fürsten Gunst, ihm regnet Gold und Ehre. Das blinde Volk! Es sieht allein. Der Treffen Glanz an ihm, und der Juwelen Der Diener, der Klienten Heere, Der Laufer Paar, das vor dem Wagen feucht, Und seine bunte Brust, die einem Wappen gleicht. Allein das zehrende Verlangen Noch größ're Gaben zu empfangen, Die Angst, mit welcher er des Fürsten Ohr bes wacht, Den Zwang, der ihn zum Sklaven macht, Ten Argwohn auf geheime Stricke, Den Neid bei seiner Neider Glücke, Tes Feindes ekelhaften Kuß, Den er mit unterdrücktem Grolle f5 In heißen Schwüren zahlen muß, Der Langenweile Qual, und die so schwere Durch seichten Witz und Schmeichelein Und seine Launen ihm demüthig zu verzeihn, Vom hohen Throne weit und von der niedern Im süßen Mittelstand, hebt hier der Weise an, Doch sagt mir eigentlich: Wo ist sie, diese Mitte? Ein jeder glaubt, daß er am Fuß der Leiter stehe, Kommt ihm als ihre Mitte vor. Der Bauer lobt des Handwerksmannes Künste, Der Ritter endlich zum Minister. Vom Küster steigt man so bis zu dem Kaiser auf Den Den Reichthum, theurer Fries! hat dir das stol v. Ticolai. ze Wien, Dir hat dein Vaterland der Freiheit Gold verliehn, Ich seh dich noch an Kraft und Jahren blühn, (Der edelste von allen Schäßen) Du kannst, auf Brief und Siegel kühn, Den Kaiser und das Reich in deinen Titel sehen, Herr deiner Arbeit, deiner Ruh, Wenn dich Geschäfte nicht ergößen, So lehrst du deinen Sohn zu vieren fünfe seßen. Wie? folltest du nicht glücklich seyn.? Ein jeder außer dir spricht ja, du selber, nein. Und thu ich dir aus tausend Gründen Den Vorzug deines Schicksals dar, Das jeden Vortheil zu verbinden So thust du mir aus noch' weit mehrern Gründen Und haben gleich, mich zu beglücken, Die Musen wenig nur, das Schicksal nichts gethan, Mein Loos vor deinem schåßbar an. Du irrest, liebster Fries! Auch meine stillen Tage Bezeichnet oft Verdruß und Plage; Wie språch ich denn so viel von Schmerz und Unges mach, Wenn ich das wahre Glück' empfånde? Ilnd lief ich ihm vielleicht mit der Laterne nach, Wenn ich es in mir selber fånde? Glückseligkeit Ein süßes Wort! Allein Bielleicht ein leerer Ton, vielleicht ein falscher Schein, Vielleicht die Larve künft'ger Reue, Ein Labyrinth, das nie zum Ende führt, und wo der Thor und Weise sich verliert, v. Nicolai., Ein Räthsel, eine Sphynx, die einen Thron uns bietet, Indeß der Wünsche Pest in Theben immer wütet. Doch wie? So hat mit uns die Vorsicht nur ge: spielt? So ist das brennende Verlangen, Die Nothdurft, die mein Herze fühlt, Um boshaft mich zu hintergehn? So leben wir allein verdammt zum Jammerstande? Nein! Dieses, liebster Fries, geht mein Gefühl nicht Gewiß, Glückseligkeit muß wo zu finden seyn. Pfef |