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Sechster Abschnitt.

Briefe.

1.-Rabener an Gellert.

Liebster Gellert!

Dresden, am 9. August 1760.

Aus meinem Briefe an den Herrn Kommissionsrath, den ich Herrn W... vor etlichen Tagen zugestellt, werden Sie einiges von meinem traurigen Schicksal ersehen haben. Erlauben Sie mir, daß ich mich auch mit Ihnen davon unterhalte, denn ich finde eine große Beruhigung darin, wenn ich einem so lieben Freunde, wie Sie sind, mein Unglück klagen kann. Was die Umstånde dieser Belagerung überhaupt betrifft, so werde ich mich dabei wenig aufhalten, und mich auf ein Tagebuch beziehen, welches unter der Autorität unsers Gouverneurs heute herausgekommen, und sehr zuverlässig ist; nur von meinen eigenen Zufållen will ich etwas melden. Um 14ten Juli mit Anbruche des Tages fing die Kanonade und das Einwerfen der Haubişgranaten auf die schrecklichste Art an. Früh um acht Uhr kam eine solche Granate in mein Zimmer (fie mochte mehr als dreißig Pfund wiegen), zerschmetterte die Stube meines Bedienten, und zündete. Wir löschten den Brand, und machten alle mögliche Unstalten. Weil es aber Granaten und zwölfpfündige Kugeln auf mein Haus und die benachbarte Gegend regnete, welches die Absicht haben mochte, das zwanzig Schritte von meiner Wohnung befindliche Pulvermagazin in die Luft zu sprengen, so packte ich meine Sachen, so viel es ohne Gefahr, erschossen zu werden, anging, zusammen, schaffte sie theils in den Keller, theils in ein Gewölbe, und flüchtete Abends um acht Uhr nach der Neustadt zu D... Aber auch hier fing am 15ten

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die Angst an, und in kurzer Zeit fuhren einige zwölfpfündige Kugeln ins Haus, nahe bei mir vorbei. In dieser Lebensgefahr brachten wir bis Sonnabends zu, wo die Daunische Armee die Seite von der Neustadt befreite, welches die größte Gnade war, die uns Gott in der Beångstigung erzeigen konnte. Denn eben diesen Tag,

besonders um zwölf Uhr Mittags, ging

das unglückliche Bombar

dement der Residenz an. Mehr als hundert Bomben fielen in

einer Zeit von drei Stunden auf die Kreuzgasse und Kirche ; um zwei Uhr brannte mein Haus, und um vier Uhr wußte ich mein Schicksal. Die Bomben hatten das Gewölbe, wohin wir alle unsere Sachen geschafft hatten, zerschmettert, und alles verbrannt; der Keller aber war von den Soldaten, die löschen sollten, rein ausgeplündert worden. Mein Bedienter, der treueste Mensch von der Welt, hatte sich so lange im Hause aufgehalten, bis es anfing einzuftürzen, und hatte ein Dugend solcher Schurken hinausgeprügelt; endlich aber warð er übermannt, und flüchtete zu mir nach Neustadt. Vor Vergnügen, den ehrlichen Kerl, den ich schon für erschoffen oder verbrannt hielt, wieder zu sehen, fühlte ich den Schmerz nur halb, den mir die Nachricht von meinem Verluste natürlicher Weise verursachen mußte. Sollte es nicht weh thun, liebster Gellert, zu erfahren, daß alle meine Betten, Kleider, Wäsche, Bücher, Papiere, Schränke und Stühle zu Asche verbrannt waren? und Sie wissen, wie reichlich mich der Himmel mit allem diesem gesegnet hat. Gott zum Preise muß ich gestehen, daß ich mich über diesen großen Verlust nicht einen Augenblick betrübte. Es war weder Reflexion, noch Philosophie, die mich so wunderbar beruhigte; Gottes Gnade allein war es. Nichts von allem habe ich gerettet, als einen abgetragenen Zeugrock1 und ein Paar alte Oberhemden, die ich auf die Seite gelegt hatte, um sie meinem Bedienten zu geben. Sonntags früh fing man an, auch für die Neustadt besorgt zu sein, und viel tausend Menschen gingen zum Thor hinaus, auf das offene Feld, und in die Weinberge. Ich 'Morning-gown.

folgte mit, und mein Bedienter mußte mein Bündelchen unter den Arm nehmen, meinen ganzen Reichthum. Vor dem Schlage fand ich einen zerbrochenen Weinpfahl, auf den stüßte ich mich, und watete bei einer brennenden Hiße durch den Sand eine Meile Wegs weit zu meinem Freunde, auf seinen Weinberg, wo ich nothdürftiges Essen und gutes Wasser fand. Seit dem 13ten Abends war ich in kein Bett gekommen, und auch hier lag ich bis Mitwoch auf der Erde. Ich ritt endlich selbigen Tages nach Hohenstein, vier Meilen von Dresden, und weil mein Bedienter ganz kraftlos war, so ließ ich ihn zwei Meilen reiten, und den übrigen Weg ging er zu Fuße. In Hohenstein fand ich gute Freunde, die auch abgebrannt waren, und wir lebten ruhig, bequem und sehr vergnügt. Sonnabends nach dem Bußtage gingen wir zurück, und ich befinde mich seitdem gesund, doch, wie Sie wohl glauben können, gar nicht in meiner Ordnung. Ich bin noch vor vielen tausend Menschen glücklich; denn kein einziger von meinen Freunden und Bekannten ist verbrannt, oder erschossen worden, ich bin gesund geblieben, und habe noch baar Geld gerettet. Etwas von_altem Tisch- und Bettzeuge ist bei einem Bekannten unvermuthet gerettet worden, und so wenig ich es vordem achtete, so lieb ist es mir nunmehr. Der Mangel an Kleidern und Wäsche ist der empfindlichste, weil man hier nichts bekommen kann, und nicht weiß, wie lange uns Gott Ruhe schenkt.

-Meine Bücher, die dauern mich; alle Aufsåge und Manuscripte, die nach meinem Tode sollten gedruckt werden, sind mit verbrannt. Ein großes Glück für die Narren künftiger Zeit! Alle Briefe von Ihnen und meinen übrigen Freunden, nebst einer Sammlung von wißigen Briefen verschiedener Art, find leider auch fort. Empfehlen Sie mich allen meinen Freunden aufs beste. Kann ich heute noch an unsern Weise schreiben, so will ich es thun. Außerdem bitte ich Sie, ihn diesen Brief lesen zu lassen, so wie den ehrlichen Dyk, welcher, so bald Gott Ruhe und Frieden giebt, es gewiß empfinden soll, daß alle meine Bücher verbrannt

sind; denn ich will ihn hernach in Kontribution sehen, mir den Fuß zu einer neuen Bibliothek zu schenken. Zwar wird er nicht daran wollen, wenn er hört, daß meine wißigen Manuscripte, und also seines Sohnes künftiger Verlag, mit verbrannt sind; aber ich will ihn schon kriegen, und wenn er mich wild macht, so schreibe ich wider seine eigne kleine Person einen Band Satiren in Duodez, zwei Hånde stark, welches ziemlich das Format von seinem Körper sein wird.—An das Haus St... bitte meinen unterthänigsten Respekt zu vermelden.—Leben Sie wohl, mein bester Freund. Ich bin in Feuer- und Wassersnoth.

Ihr redlichster

Rabener.

2. Die Königing Luise von Preußen an ihren Vater, den Herzog von Mecklenburg-Strelik.

Königsberg, den 15. Mai 1807.

Geliebter Vater!

Die Abreise des Generals Blücher giebt mir Gott Lob einmal eine fichere Gelegenheit, offenherzig mit Ihnen zu reden. Gott, wie lange entbehrte ich dieses Glück, und wie viel habe ich Ihnen zu sagen! Bis zur dritten Woche meines Krankenlagers war jeder Tag durch neues Unglück bezeichnet.

Die Sendung des vortrefflichen Blücher nach Pommern, der Patriotismus, der jegt in jeder Brust sich regt, und von welchem die Reserve-Battaillone, die erst seit Monaten organisirt find und theils schon vorgehen, theils schon gut gefochten haben, ein neuer Beweis find, alles dies belebt mit neuen Hoffnungen. Ja, bester Vater, ich bin es überzeugt, es wird noch einmal Alles gut gehen, und wir werden uns noch einmal glücklich wieder sehen. Die Belagerung von Danzig geht gut, die Einwohner benehmen sich außerordentlich; sie erleichtern den Soldaten die großen Lasten, indem sie ihnen Wein und Fleisch in Ueberfluß

1 He will not like to do it.

reichen; sie wollen von keiner Uebergabe sprechen hdren; sie wollen lieber unter Schutt begraben werden, als untreu an dem König handeln, eben so halten sich Colberg und Graudenz. Wåre es mit allen Festungen so gewesen-Doch genug von den vergangenen Uebeln; wenden wir unsere Blicke zu Gott, zu ihm, der unsere Schicksale lenkt, der uns nie verläßt, wenn wir ihn nicht verlassen!

Er

Der König ist mit dem Kaiser Alexander bei der Armee. bleibt bei derselben, so lange der Kaiser bleibt. Diese herrliche Einigkeit, durch unerschütterliche Standhaftigkeit im Unglück begründet, giebt die schönste Hoffnung zur Ausdauer, und durch Beharrlichkeit wird man siegen, früh oder spåt, davon bin ich überzeugt.

Memel, den 17. Juni 1807. ̧

Mit der innigsten Rührung und unter Thrånen der dankbarsten Zärtlichkeit habe ich Ihren Brief vom Monat April gelesen. Wie soll ich Ihnen danken, bester, zårtlichster Vater, für die vielen Beweise Ihrer Liebe, Ihrer Huld, Ihrer unbeschreiblichen Vatergüte! Welcher Trost ist dieses nicht für mich in meinem Leiden, und welche Stärkung! Wenn man so geliebt wird, kann man nicht ganz unglücklich sein. Es ist wieder aufs neue ein ungeheueres Ungemach über uns gekommen, und wir stehen auf dem Punkt, das Königreich zu verlassen. Bedenken Sie, wie mir dabei ist'; doch bei Gott beschwöre ich Sie, verkennen Sie Ihre Tochter nicht ; Glauben Sie ja nicht, daß Kleinmuth mein Haupt beugt. Zwei Hauptgründe habe ich, die mich über Alles erheben: der erste ist der Gedanke, wir sind kein Spiel des blinden Zufalls, sondern wir stehen in Gottes Hand, und die Vorsehung leitet uns—der zweite, wir gehen mit Ehren unter. Der König hat bewiesen, der Welt hat er es bewiesen, daß er nicht Schande, sondern Ehre will. 1 How I feel in such a situation.

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