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genommen. „Er zweifle gar nicht," sagte er,,, daß er seine Romane schreibe, wie die alten Maler mit ihren Schülern gemeinschaftlich gemalt hatten, nåmlich, er gåbe Plan und Hauptgedanken, das Skelett der Scenen an, lasse aber die Schüler dann ausführen und retouchire nur zuleßt." Es schien fast, als wåre er der Meinung, daß es gar nicht der Mühe werth sei, für einen Mann von Walter Scott's Größe seine Zeit zu so langweiligen und umståndlichen Beschreibungen herzugeben. "Håtte ich," sette er hinzu, ,, mich zu bloßem Ge.vinnsuchen verstehen mögen,' ich hätte früher mit Lenz und andern, ja ich wollte noch jest, Dinge anonym in die Welt schicken, über welche die Leute nicht wenig erstaunen, und sich den Kopf über den Autor zerbrechen sollten, aber am Ende würden es doch nur Fabrikarbeiten bleiben." Ich äußerte spåter, daß es wohlthuend für die Deutschen sei, zu sehen, wie jezt unsere Literatur die fremden Nationen gleichsam erobere, und hierbei, fuhr ich fort, wird unser Napoleon kein Waterloo erleben.

,,Gewiß," erwiederte er, mein etwas fades Compliment überhörend,,, ganz abgesehen von unsern eignen Leistungen, stehen wir schon durch das Aufnehmen und völlige Aneignen des Fremden auf einer sehr hohen Stufe der Bildung. Die andern Nationen werden bald schon deshalb deutsch lernen, weil sie inne werden müssen, daß sie sich damit das Lernen fast aller andern Sprachen gewissermaßen ersparen können. Denn von welcher besigen wir nicht die gediegensten Werke in vortrefflichen deutschen Uebersegungen? Die alten Classiker, die Meisterwerke des neueren Europas, indische und morgenländische Literatur, hat sie nicht alle der Reichthum und die Vielseitigkeit der deutschen Sprache, wie der treue deutsche Fleiß und tief in sie eindringende Genius besser wiedergegeben, als es in andern Sprachen der Fall ist ?", „Frankreich," fuhr er fort,,,hat gar viel seines einstigen Uebergewichts in der Literatur dem Umstande zu verdanken gehabt, daß es am frühesten aus dem Griechischen und Lateinischen leidliche

1 Had I bent my mind upon mere gain. 2 Name of an author.

Uebersehungen lieferte, aber wie vollständig hat Deutschland es seitdem übertroffen!

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Im politischen Felde schien er nicht viel auf die so beliebten Constitutions-Theorien zu geben. Ich vertheidigte mich und meine Meinung indeß ziemlich warm. Er kam hier auf seine Lieblings-Idee, die er mehrmals wiederholte, nåmlich, daß Jeder nur darum bekümmert sein solle, in seiner speziellen Sphåre, groß oder klein, recht treu und mit Liebe fortzuwirken, so werde der allgemeine Segen auch unter keiner Regierungsform ausbleiben. Er für seine Person habe es nicht anders gemacht, und ich mache es in Muskau ja ebenfalls so, sezte er gutmüthig hinzu, unbekümmert was andere Interessen geböten. Ich meinte nun freilich, mit aller Bescheidenheit, daß, so wahr und herrlich dieser Grundsaß sei, ich doch glaube, eine constitutionelle Regierungsform müsse ihn eben erst recht ins Leben rufen, weil sie offenbar in jedem Individuum die Ueberzeugung größerer Sicherheit für Person und Eigenthum, folglich die freudigste Thatkraft und zugleich damit die zuverlåßigste Vaterlandsliebe begründe, hierdurch aber dem stillen Wirken in eines Jeden Kreise eben eine weit solidere allgemeine Basis gegeben würde, und führte endlich England als Beleg für meine Behauptung an.

Von Lord Byron redete er nachher mit vieler Liebe, fast wie ein Vater von seinem Sohne, was meinem hohen Enthusiasmus für diesen großen Dichter sehr wohl that. Er widersprach unter andern auch der albernen Behauptung, daß Manfred eine Nachbetung seines Faust sei, doch sei es ihm allerdings als etwas Interessantes aufgefallen, sagte er, daß Byron unbewußt sich derselben Maske des Mephistopheles wie er bedient habe, obgleich freilich Byron sie ganz anders spielen lasse. Er bedauerte es sehr, den Lord nie persönlich kennen gelernt zu haben, und tadelte streng, und gewiß mit dem höchsten Rechte, die englische Nation, daß sie ihren großen Landsmann so kleinlich beurtheile, und im To set a great value.

Allgemeinen so wenig verstanden habe. Doch hierüber hat sich Göthe so genügend und schön öffentlich ausgesprochen, daß ich nichts weiter hinzuzufügen brauche. Ich erwähnte zulegt der Aufführung des Faust auf einem Privattheater zu Berlin, mit Musik vom Fürsten Radziwil, und lobte den ergreifenden Effekt einiger Theile dieser Darstellung. "Nun," sagte Göthe gravitåtisch,,, es ist ein eigenes Unternehmen, aber alle Ansichten und Versuche sind zu ehren."

Ich grolle meinem schlechten Gedächtniß, daß ich mich nicht mehr aus unserer ziemlich belebten Unterhaltung eben erinnern kann. Mit hoher Ehrfurcht und Liebe verließ ich den großen Mann, den dritten im Bunde mit Homer und Shakespeare, dessen Name unsterblich glänzen wird, so lange deutsche Zunge sich erhålt; und wåre irgend etwas von Mephistopheles in mir gewesen, so hätte ich auf der Treppe gewiß auch ausgerufen:

Es ist doch schön von einem großen Herrn,

Mit einem armen Teufel so human zu sprechen.

5.-Niebuhr an einen Jüngling, der sich der Philologie widmen wollte.

Als mir Deine liebe Mutter schrieb, daß Du eine entschiedene Neigung für philologische Studien zeigtest, äußerte ich ihr meine Freude darüber, und bat sie und Deinen Vater, diese Neigung ja nicht durch andere für Dich entworfene Lebensplåne zu stören. Ich glaube ihr gesagt zu haben, da Philologie die Einleitung zu allen andern Studien sei, so bereite sich der, welcher in den Schuljahren diese Disciplin mit dem Eifer treibe, als solle sie seinen vollen Lebenslauf ausmachen, zu jeder andern, die er auf der Universität wählen möchte; und dann ist mir Philologie so theuer, daß ich einem mir so lieben und nahestehenden Jüngling, wie Du es bist, keinen andern Beruf lieber wünschen möchte, als eben sie. Es giebt keinen friedlicheren und keinen heiterern, keinen, der durch die Art seiner Pflichten und seiner Ausübung

die Herzens- und Gewissensruhe besser sichere: und wie manchesmal habe ich mit Wehmuth beklagt, daß ich diesen verlassen, und in ein bewegtes Leben übergegangen bin, welches vielleicht selbst in meinem beginnenden Alter zu keiner dauernden Ruhe gelangen wird. Das Umt namentlich eines Schullehrers ist vollkommen ehrwürdig, und ungeachtet aller Uebel, die seine idealische Schönheit stören, für ein edles Herz wahrlich einer der glücklichsten Lebenspfade: es war dies einst mein selbstgewähltes Lebensziel, und man håtte mich nur immer ihm nachgehen lassen sollen. Ich weiß sehr wohl, daß ich jeßt, verwöhnt durch die große Sphäre, worin ich mein thåtiges Leben zugebracht, nicht mehr dafür taugen würde: aber wem ich so herzlich und redlich wohl will, wie Dir, dem wünsche ich, daß er sich nicht so verwöhnen, noch von der Stille und dem sichern engen Kreise wegsehnen1 môge, in dem ich, wie Du, meine Jugend verlebt habe.

Deine liebe Mutter schrieb mir, Du wünschtest mir eine Arbeit vorzulegen, um mir Deinen Fleiß zu beurkunden, und mich in Kenntniß zu sehen, welche Fortschritte Du schon gemacht habest. Ich bat sie, Dich dazu aufzumuntern, nicht allein um Dir und den Deinigen einen Beweis des treuen Antheils zu geben, den ich an Dir nehme; sondern auch, weil ich gerade in der Philologie das Ziel bestimmt genug kenne, und die Pfade, welche dahin führen, so wie die tåuschenden Irrwege, um den, der einen von jenen zu betreten das Glück gehabt, bestårken zu können, daß er ihn nicht verlasse, und den, der in Gefahr ist, sich zu verirren, mit voller Ueberzeugung zu warnen, und ihm zu sagen, wohin er gerathen müsse, wenn er nicht ablenke. Ich selbst bin meinen Weg größtentheils ohne Führer, und leider auch wohl gegen die nur zu schonend gegebenen Winke derer, die es hätten sein können, durch manches Dornendickicht gewandelt. Zum Glück und Gott sei es gedankt, habe ich das Ziel nie aus den Augen verloren, und die Richtung wieder gefunden: aber ich wåre ihm viel nåher gekommen, 1 To long (to get) away.

und mit weniger Trübsal, wenn man mir den Weg gewiesen håtte. Ich weiß sehr wohl, daß es hauptsächlich aus Schonung unterblieben ist; einer oder der andere hat auch wohl die Mühe gefcheut, sich einem Knaben im widerspenstigen Lebensalter verständlich zu machen. Ich weiß auch wohl, daß mir ein nicht mit meiner Neigung übereinstimmender Rath wohl nicht geschmeckt håtte; aber wåre er von einem Berufenen gegeben worden, ich hätte ihn gewiß zu Herzen genommen, und es wåre mir jezt viel werth, wenn er mir gekommen wåre: selbst herbe und bis auf's Blut verwundend.

Ich sage Dir mit Vergnügen, und kann es mit Wahrheit thun, daß Deine Arbeit ein rühmliches Zeugniß für Deinen Fleiß ist, und daß es mich sehr freut, zu sehen, wie viel Du in den mehr als sechs Jahren, da wir uns zum legtenmal sahen, gearbeitet und gelernt hast. Ich sehe, daß Du viel gelesen hast, und mit Wißbegierde und Aufmerksamkeit. Zuerst aber muß ich Dich nun unverholen bitten, Dein Latein zu prüfen und Dich zu überzeugen, daß es Dir auf diesem Punkte fehlt. Ich will Dir einige grammatische Fehler nicht aufmugen; über diesen Punkt bin ich ganz der Meinung meines lieben seligen Spalding, den diese in der Schule am wenigften ungeduldig machten, wofern nur ihre Anzeichnung fruchtete sie allmählich auszutilgen. Schlimmer ist, daß Du mehr als einmal mit den Perioden stecken bleibst; daß Du Worte im unrichtigen Sinne brauchst, daß Dein Styl aufgedunsen und ohne Haltung ist; daß Du mit den Metaphern unlogisch verfährst.

Du schreibst nicht einfach genug, um einen Gedanken, der Dir klar vor der Seele steht, ohne Pråtension auszudrücken. Daß Du nicht reich und geründet schreiben kannst, ist kein Tadel: denn obgleich es, besonders in frühern Zeiten, einige gegeben, die durch besonders glückliche Leitung eines besondern Talents dies in Deinem Alter wohl gekonnt, so ist diese Vollkommenheit der Regel nach nicht einmal möglich. Fülle und Reife des Ausdrucks jeht eine Reife der Seele voraus, welche nur der Lauf der Entwickelung bringt. Aber was man immer kann und immer soll' ist, nicht nach

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