Sivut kuvina
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Gar zu gern möchte ich Ihnen meinen Dank mündlich wiederholen. Ich habe Sie so lange nicht gesehen und gesprochen. Nun sagt mir A. von Humboldt, Sie seien den ganzen Winter leidend gewesen. Das, fürchte ich nun sehr, verdirbt mir die Hoffnung Sie einmal zu Tisch bei mir zu sehen. Können Sie es wagen, so bitte ich Sie, mich's wissen zu lassen, ziehen Sie aber vor, mich einmal morgens zu besuchen, so kommen Sie doch ohne Weiteres, welchen Tag Sie wollen, so zwischen 11 und halb 1 Uhr; jedoch sollten Sie einen Dienstag, Mittwoch oder Sonnabend wählen, so würde ich Sie bitten früher zu kommen, da ich von 11 Uhr an Sigungen habe.

Wo haben Sie das Gdthesche Deutsch her? Manche Franzosen haben wohl ein Herz für Deutschland und seine Sprache gewonnen, aber nie hat irgend Einer es dem Besten gleich und darüber hinaus gethan in der Sprache.

Die vielen Schnurren und Malicen in Ihren Gedichten sind keine welsche, sondern åcht national, und sogar den gottlosen Béranger haben Sie nicht überseßt, sondern verdeutscht—ich wollte Sie hätten ihn zerdeutscht!' Ihre Strophen an Boncourt möcht' ich singen hören! schon beim Lesen gehen einem die Augen über, und man giebt unwillkürlich Ihnen selbst den Segen zurück, welchen Sie dem Ackerer auf der theueren Stelle zurufen. Leben Sie wohl, lieber Herr von Chamisso. Darf ich sagen: auf Wiedersehen? Friedrich Wilhelm.

7. Das Schloß Warwick.

Warwick, den 28. Dezember 1826.

Theure Freundinn!

Beim Himmel! diesmal erst bin ich von wahrem und ungemessenem Enthusiasmus erfüllt. Was ich früher beschrieben,2 war eine lachende Natur, verbunden mit allem, was Kunst und

1 Cut into pieces in German.

2

Im vorhergehenden Briefe war Woburn Abbey beschrieben.

Geld hervorbringen können. Ich verließ es mit Wohlgefallen, und obgleich ich schon Aehnliches gesehen, ja selbst besiße, nicht ohne Verwunderung. Was ich aber heute sah, war mehr als dieses, es war ein 3 a uberort, in das reizendste Gewand der Poesie gehüllt, und von aller Majeståt der Geschichte umgeben, dessen Anblick mich noch immer mit freudigem Staunen erfüllt.

Du erfahrne Historienkennerinn und Memoirenleserinn weißt besser als ich, daß die Grafen von Warwick einst die måchtigsten Vasallen Englands waren, und der große Beauchamp, Graf von Warwick, sich rühmte, drei Könige entthront, und eben so viele auf den leeren Thron geseht zu haben.

Sein Schloß steht schon seit dem 9. Jahrhunderte, und ist seit Elisabeths Regierung im Besiß derselben Familie geblieben. Ein Thurm der Burg, angeblich von Beauchamp selbst erbaut, hat sich ohne alle Verånderung erhalten, und das Ganze steht noch so kolossal und mächtig, wie eine verwirklichte Ahnung der Vorzeit da.

Schon von weitem erblickst Du die dunkle Steinmasse über uralte Cedern vom Libanon, Kastanien, Eichen und Linden, senkrecht aus den Felsen am Ufer des Avon, mehr als 200 Fuß hoch über die Wasserfläche emporsteigen. Fast eben so hoch noch überragen wieder zwei Thürme von verschiedener Form das Gebäude selbst. Der abgerissene Pfeiler einer Brücke, mit Båumen überhangen, steht mitten im Fluß, der tiefer unten, gerade, wo die Schloßgebåude beginnen, einen schåumenden Wasserfall bildet, und die Råder der Schloßmühle treibt, welche lettere, mit dem Ganzen zusammenhångend, nur wie ein niedriger Pfeilervorsprung_desselben erscheint.

Jeht verlierst Du im Weiterfahren eine Weile den Anblick des Schlosses, und befindest Dich bald vor einer hohen gezackten Mauer aus breiten Quadern, durch die Zeit mit Moos und Schlingpflanzen bedeckt. Die Flügel eines hohen eisernen Thores öffnen sich langsam, um Dich in einen tiefen, durch den Felsen gesprengten Hohlweg einzulassen, an dessen Steinwånden ebenfalls von beiden

Seiten der üppigste Pflanzenwuchs herabrankt. Dumpf rollt der Wagen auf dem glatten Felsengrunde hin, den in der Höhe alte Eichen dunkel überwölben. Plöglich bricht bei einer Wendung des Weges das Schloß im freien Himmelslichte aus dem Walde hervor, auf einem sanften Rasenabhang ruhend, und zwischen den ungeheuren Thürmen, an deren Fuß Du Dich befindest, verschwindet der weite Bogen des Eingangs zu dem Schein einer unbedeutenden Pforte. Eine noch größere Ueberraschung steht Dir bevor, wenn Du durch das zweite eiserne Gitterthor den Schloßhof erreichst. Etwas Malerischeres und zugleich Erhabeneres läßt sich beinahe nicht denken. Laß Dir durch Deine Phantasie einen Raum hinzaubern, ungefähr noch einmal so groß als das Innere des römischen Coloseums, und verseze Dich damit in einen Wald voll romantischer Ueppigkeit. Du übersiehst nun den weiten Hofplak, rund umher von bemoosten Bäumen und majestätischen Gebäuden umgeben, die, obgleich überall verschieden an Form, dennoch ein erhabenes und zusammenhängendes Ganze bilden, dessen bald steigende, bald sich senkende Linien in der blauen Luft, wie die stete Abwechselung der grünen Grundflåche am Boden, nirgends Symmetrie, wohl aber eine sonst nur den Werken der Natur eigene, höhere Harmonie verrathen. Der erste Blick zu Deinen Füßen fållt auf einen weiten, einfachen Rasenteppich, um den ein sanft geschlungener Kiesweg nach allen Ein- und Ausgången dieses Riesenbaues führt. Rückwärts schauend, siehst Du an den beiden schwarzen Thürmen empor, von denen der ålteste, Guy's Thurm genannt, ganz frei von Gebüsch, in drohender Måjestät, fest wie aus Erz gegossen dasteht, der andere von Beauchamp erbaut, halb durch eine wohl Jahrhunderte zählende Kiefer und eine herrliche Kastanie verdeckt wird. Breitblåtteriger Epheu und wilder Wein rankt, bald den Thurm umschlingend, bald seine höchsten Spigen ersteigend, an den Mauern hinan. Links neben Dir zieht sich weit der bewohnte Theil des Schlosses und die Capelle hin, mit vielen hohen Fenstern geziert

von verschiedener Größe und Gestalt, während die ihm gegenüber liegende Seite des großen Vierecks, fast ganz ohne Fenster, nur mächtige gezackte Steinmassen darbietet, die einige Lerchenbäume von kolossaler Höhe und baumartige Arbutus-Stråucher, welche hier im langen Schuhe wunderbar hoch gewachsen sind, malerisch unterbrechen. Vor Dir jedoch erwartet Dich, wenn Du jezt den Blick nach der Höhe erhebst, von allem das erhabenste Schauspiel. Denn auf dieser vierten Seite steigt aus einem niedrigen bebuschten Kessel, den der Hof hier bildet, und mit dem sich auch die Gebäude eine geraume Strecke senken, das Erdreich von neuem, in Form eines konischen Berges steil empor, an dem die gezackten Mauern des Schlosses mit hinan klimmen. Dieser Berg, der Keep, ist bis oben dicht bewachsen mit Gestråuch, das jedoch nur den Fuß der Thürme und Mauern bedeckt. Dahinter aber ragen hoch über alle Steinmassen noch ungeheure, uralte Bäume hervor, deren glatte Ståmme man wie in der Luft schwebend erblickt, während auf dem höchsten Gipfel eine kühne Brücke, auf beiden Seiten von den Bäumen eingefaßt, gleich einem hehren Himmelsportal, plöglich die breiteste, glånzendste Lichtmasse, hinter der man die Wolken fern vorüberziehen sieht, unter dem Schwibbogen und den dunkeln Baumkronen durchbrechen läßt.

Stelle Dir nun vor: diese magische Dekoration a uf einmal zu übersehen, verbinde die Erinnerung damit, daß hier neun Jahrhunderte stolzer Gewalt, kühner Siege und vernichtender Niederlagen, blutiger Thaten und wilder Größe, vielleicht auch sanfter Liebe und edler Großmuth, zum Theil ihre sichtlichen Spuren, oder, wo das nicht ist, doch ihr romantisch ungewisses Andenken zurückgelassen haben-und urtheile dann, mit welchem Gefühl ich mich in die Lage des Mannes versetzen konnte, dem solche Erinnerungen des Lebens seiner Vorfahren durch diesen Anblick täglich zurückgerufen werden, und der noch immer dasselbe Schloß des ersten Besizers der Veste Warwick bewohnt, desselben halb-fabelhaften Guy, der vor einem Jahrtausend lebte, und

dessen verwitterte Rüstung mit hundert Waffen berühmter Ahnen in der alterthümlichen Halle aufbewahrt wird. Giebt es einen so unpoetischen Menschen, in dessen Augen nicht die Glorie dieses Andenkens auch den schwächsten Repråsentanten eines solchen Adels noch heute umglånzte ?

Bar ich nun vorher, schon seit dem ersten Anblick des Schlosses, von Ueberraschung zu Ueberraschung fortgeschritten, so wurde diese, wenn gleich auf andere Weise, fast noch in den Zimmern überboten. Ich glaubte mich völlig in versunkene Jahrhunderte verseßt, als ich in die gigantische baronial hall trat, ganz wie sie Walter Scott beschreibt, die Wände mit geschnißtem Cedernholz getåfelt, mit allen Arten ritterlicher Waffen angefüllt, geräumig genug, um alle Vasallen auf einmal zu speisen, und ich dann vor mir einen Kamin aus Marmor erblickte, in dem ich ganz bequem mit dem Hute auf dem Kopfe noch neben dem Feuer stehen konnte, das auf einem 300 Jahre alten, eisernen, seltsam gestalteten Roste, von der Form eines Korbes, wie ein Scheiterhaufen aufloderte. Seitwårts war, der alten Sitte getreu, auf einer Unterlage, gleichfalls von Cedernholz, mitten auf dem steinernen Fußboden, den nur zum Theil verschossene Hautelisse-Teppiche deckten, eine Klafter ungespaltenes Eichenholz aufgeschichtet. Durch einen in Braun gekleideten Diener, dessen Tracht, mit goldenen Kniegürteln, Achselschnüren und Besaß hinlänglich alterthümlich aussah, wurde von Zeit zu Zeit dem mächtigen Feuer vermöge eines drei Fuß langen Kloges neue Nahrung gegeben. Hier war überall der Unterschied zwischen: der åchten alten Feudalgröße und der nur in moderner Spielerei nachgeahmten eben so schlagend, als zwischen den bemoosten Trümmern der verwitterten Burg auf ihrer Felsenspige und der gestern aufgebauten Ruine im Lustgarten eines reich gewordenen Lieferanten. Fast alles in den Zimmern war alt, pråchtig und originell, nirgends geschmacklos, und mit der größten Liebe und Sorgfalt unterhalten. Es befanden sich die seltsamsten und reichsten Zeuge darunter, die man jezt gar nicht mehr auszuführen

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