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Dreistigkeit, die bei gemeinen Leuten Unverschåmtheit genannt wird, mit den Augen maß-bist du dieser Diogenes, von dessen Charakter und Launen man in ganz Griechenland so viel zu erzählen hat? — Ich betrachtete meinen Mann nun auch etwas genauer, als anfangs. Es war ein feiner, junger Mensch, mittelmäßig von Statur, aber wohl gemacht, außer daß ihm der Kopf ein wenig auf die linke Schulter hing; er hatte eine breite Stirn, große funkelnde Augen, mit denen er auch in die Seele hineinsah, eine glückliche Gesichtsbildung, und eine Miene, worin Stolz und Selbstvertrauen, durch eine gewisse Grazie gemildert, dasjenige ausmachte,' was man an Königen Majestät zu nennen pflegt. Ich bemerkte, daß er ein Diadem trug, welches ihn zu einer solchen Miene berechtigte; aber ich that nicht, als ob ich's wahrgenommen hatte. Und wer bist du denn, antwortete ich ihm ganz kaltsinnig, daß du ein Recht zu haben glaubst, mich so zu fragen?—Ich bin nur Alexander, Philipps Sohn von Macedonien, verseßte der Jüngling lächelnd; ich gestehe, es ist dermalen nicht viel, aber was es ist, steht dem Diogenes zu Dienste.Da ich wußte, daß du nicht zu mir kommen würdest, so komme ich zu dir, um dir zu sagen, daß ich mir ein Vergnügen daraus machen würde, deine Philosophie auf einen gemächlichern Fuß zu sezen. Verlange von mir, was du willst, es soll dir unverzüglich gewährt werden, oder es müßte mehr sein, als in meinen Mächten steht. Versprichst du mir's bei deinem königlichen Worte? sagte ich. Bei meinem Worte, verseßte er.—Nun, sagte ich, so ersuche ich den Alexander, Philipps Sohn von Macedonien, so gut zu sein, und2 mir aus der Sonne zu gehen. — Ist das Alles? fagte Alexander. Alles, was ich jest bedarf, antwortete ich. - Die Hoffchranzen erblaßten vor Entseßen. Ein König muß sein Wort halten, sagte Alexander, indem er sich mit einem gezwungenen Lächeln gegen seine Leute wandte. Er rechtfertiget den 2 Idiomatic for to be so kind as, se gut zu

1 Constituted. sein, mir, &c.

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Zunamen,' den ihm die Korinther geben, sagten die Hofschranzen, und er verdiente, daß ihm auch nach seinem Namen begegnet würde. Das sollt ihr bleiben lassen, erwiederte der junge Mensch; ich versichere euch, wenn ich nicht Alexander wåre, so wollte ich Diogenes sein. — Und damit führten sie sich wieder ab. Das Abenteuer wird Lårmen machen. Ich kann nichts dazu. In ganzem Ernste, was hått' ich von ihm begehren sollen? Ich will mit seines Gleichen nichts zu thun haben. In der That, ich bedarf nichts; und wenn ich was bedürfte, hab' ich nicht einen Freund? Sollte ich von einem Könige Wohlthaten annehmen, da ich keine von meinem Freunde annehme, den ich dadurch glücklicher machen könnte? — Aber der junge Mensch gefällt mir.-Ich zweifle nicht, daß er mich auf die Probe sehen wollte j und doch schien ihm meine Bitte unerwartet. Es ist billig, daß er lieber Alexander als Diogenes ist:-ich dächte an seinem Plaze eben so; aber es macht ihm Ehre bei mir, daß er Diogenes sein möchte, wenn er nicht Alexander wåre.—Wie viel wird dieser einzige junge Mann den Griechen von sich zu reden geben! Er hat sich von ihnen zu ihrem gemeinschaftlichen Feldherrn gegen den großen König erwählen lassen. Ein schöner Vorwand für einen jungen Ehrgeizigen, dem Macedonien und Griechenland ein zu kleiner Schauplak ist!—Ich wollte, daß er über die Welt zu verfügen håtte, und dächte wie Diogenes.

6. Die Rache des Redlichen.

Eine Bürde Brennholz auf dem Rücken, fast vor Kålte starr, kam Semnon, der alte Fischer, aus dem entblåtterten Haine zurück. Mühsam wankte er den beschneiten Pfad vor dem Hause Ithamars des Jågers vorbei, und wollte über die Brücke des Flusses nach seiner Hütte hinüber.

„Halt, Alter!" rief aber der Jåger, und sprang wild aus

'Diogenes was called the cynic, i. e. snarler, by the Corinthians.

seiner Wohnung heraus: Wo hast du das Holz her? Das Holz ist nicht dein! Du hast mir's entwendet!

Semnon erschrak. Jåger, ich habe nichts entwendet, stammelte er.

Ithamar. Lüge mir nichts vor, Alter! Gestern erst fållte ich Holz; drüben im Walde liegt es: von diesem nahmst du's! Her damit !

Semnon. Nein, Jåger! Ich hab' es gesammelt, Reis für Reis, redlich und recht.

Ithamar. Du lügst, alter Graukopf! Her damit!

Semnon.

Seht nur! Es sind ja lauter kleine dürre

Reiser, die ich zusammentrug, wie ich sie unter den Bäumen im Schnee zerstreuet fand.

Ithamar.

Lügen 21

Entwendet hast du's! Was will ich deiner

Da riß er dem Greise ungestům die Bürde vom Rücken, und warf sie über die Brücke hinab dem Strom zum Spiele. "Nun ist der Streit zu Ende," sagte er höhnisch, und trabte wild in das Haus. Semnon sah ihm wehmüthig nach, und wankte, nassen Blickes, von dannen.

2

Nach einigen Tagen ward die Luft wårmer. Der Eisstoß ging. Da schwammen die Stücke mächtig heran, und båumten sich krachend an den Jochen empor. Schollen zerborsten zu Schollen, und Trümmer zu Trümmern. Eisklöße3 sammelten sich stråubend zu Haufen, und stemmten sich, und schwellten die Wasser des reißenden Stroms.

Da kam Chalisson, Ithamars Sohn, aus der Stadt, und wollte über die Brücke wandern. Aber er bebte unschlüssig und erschrocken zurück, als er die Schauderscene sah. Semnon selbst, der eben in der Gegend einen Kahn zimmerte, mißrieth ihm, sein Leben in die Todesgefahr zu wagen. Ithamar sah's. 2 The ice began to float,

Am I to listen to thy lies.

3 Flakes of ice.

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Komm hurtig herüber," rief er trohig die Brücke wird eben nicht brechen; weiß Gott, zu was dich sonst der alte Haderer Komm herüber!"

noch verleiten würde.

Chalisson lief.

Stoß auf Stoß an die Brücke. Er wankte. – Noch ein Stoß. Jeht fiel er nieder.—Nun wieder einer.— Da sank die Brücke, und stürzte in das Wasser, und der Knabe mit. Wie klagte da der Vater drüben, wie starrte Semnon, der Greis, hinunter! Fürchterlich heulte im Fluß der Knabe, und schrie um Hülfe. An einem Balken eingeklemmt, halb vom Eise erdrückt, riß ihn der Strom hin. Untröstlich lief der Jåger am Gestade umher, stampfte den Boden, und schrie, und rang_muthlos die Hånde. Wie konnte er hoffen, daß der Fischer den Unglücklichen retten würde?

"Hier geb' ich

einem Ton, der

Aber Semnon mit den Silberhaaren sprang beherzt in seinen Kahn, und zwang ihn muthig durch die Schollen und durch die Tannenbalken der Brücke; rieß den Knaben aus dem Strudel, und brachte ihn glücklich zum Vater ans Land. dir deinen Sohn zurück," sagte er liebreich, mit Wölfe selbst bezähmt håtte: „sieh, er ist frisch und gesund, nur ein wenig erschrocken." Ithamar getraute sich nicht, die Augen aufzuschlagen, und stand lange beschämt und stumm da. „Vergieb mir redlicher Greis!" sprach er endlich zu sehr gerührt, und mit einem Strome von Zåhren, die ihm wider Willen die rauhen Wangen herabstürzten: „Vergieb mir mein hartes Betragen !// Was soll ich dir vergeben? erwiederte Semnon mit freundlicher Miene: „Hab' ich mich denn nicht eben genug an dir geråchet?" Ithamar. Also war Wohlthun deine Rache, beleidigter Mann ?-Gott! Nächet sich der Redliche so?

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7.-Die geprüfte Treue.

Der Kalif Mutewekul hatte einen fremden Arzt, mit Namen Honain, welchen er wegen seiner großen Wissenschaft sehr ehrte. Einige Hofleute machten ihm diesen Mann verdächtig und sagten,

da derselbe ein Ausländer sei, so könne man sich auf seine Treue nicht wohl verlassen. Der Kalif ward unruhig, und wollte ihn prüfen, ob und in wie fern dieser Argwohn gegründet wåre. Er ließ ihn zu sich kommen, und sagte: „Honain, ich habe unter meinen Emirn einen gefährlichen Feind, gegen den ich seines starken Anhangs wegen keine Gewalt brauchen kann. Daher befehle ich dir, daß du ein feines Gift zubereitest, das an dem Todten keine Spur von sich zurückläßt. Ich will ihn morgen zu Gaste laden, und mich seiner auf diese Weise entledigen. “

"Herr," antwortete Honain mit getroster Zuversicht,,, meine Wissenschaft erstreckt sich nur auf Arzneien, die das Leben erhalten, andere kann und mag ich nicht zubereiten. Ich habe mich auch nie bemühet, es zu lernen, weil ich glaubte, daß der Beherrscher der wahren Gläubigen keine solche Kenntnisse von mir fordern würde. Habe ich hierin Unrecht gethan, so erlaube mir, deinen Hof zu verlassen, um diese mir mangelnde Wissenschaft in einem andern Lande zu erlernen." Mutewekul antwortete, dies sei eine leere Entschuldigung; wer die heilsamen Mittel kenne, der wisse auch die schädlichen. Er bat, er drohete, er versprach Geschenke. Umsonst; Honain blieb bei seiner Antwort. Endlich stellte sich der Kalif erzürnt, rief die Wache, und befahl, diesen widerspen= ftigen Mann ins Gefängniß zu führen. Das geschah; auch ward ein Kundschafter unter dem Scheine eines Gefangenen zu ihm gesezt, der ihn ausforschen und dem Kalifen von Allem, was Honain sagen würde, Nachricht geben sollte. So empfindlich Honain über eine solche Behandlung war, so ließ er sich doch mit keinem Worte gegen den Mitgefangenen merken, warum der Kalif auf ihn zürne. Seine einzige Rede bestand darin, daß ihm Unrecht geschehe.

Nach einiger Zeit ließ ihn der Kalif wieder vor sich bringen. Auf einem Tische lag ein Haufen Gold, Demanten und köstliche Stoffe; daneben aber stand der Henker mit einer Geißel in der Hand und einem Schwerte unter dem Arme. "Du hast Zeit

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