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LESARTEN-MUSTERUNG.

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In K. Henry IV. T. I. A. I. Sc. 1. R. 5. Z. 8 lesen wir, so viel ich weisz, in allen Ausgaben: Ten thousand bold Scots, two-and-twenty knights, Balk'd in their own blood, did Sir Walter see On Holmedon's plains; " welches balk'd in der Schlegel - Tieck'schen älteren Uebersetzung durch,,geschichtet", bei Delius (Shakespear-Lexikon) durch,,aufgehäuft" übersetzt wird. Letzterer schlägt nebst Anderen dabei baked zu lesen vor, wozu man sich auf die Stelle in Heywood's Iron Age: Troilus lies embak'd In his cold blood" beruft. In der Baudry-Ausgabe heiszt es in der Anmerkung: To balk is to arise into ridges, as in Minshew,,to balke, or make a balk in earing of land." Da es aber erwiesenermaszen in dieser Bedeutung ein Hapaxlegomenon bei Shakespeare ist, (denn in Taming of the Shrew, wo es heiszt balk logic u. s. w., liegt doch wohl ebenfalls eine corrupte Lesart vor oder hat es jedenfalls eine andere Bedeutung), so möchte ich den freilich sehr einfachen und auf der Hand liegenden, gerade deshalb aber wahrscheinlich übersehenen Vorschlag machen, ,,bathed" statt balked in their blood zu lesen.

Leipzig, im October 1869. Dr. D. Asher.

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Anmerkung des Herausgebers. Diese Lesart ist nicht neu; die Cambridge-Ausgabe von Clark und Wright, deren Text sich für balk'd entscheidet, führt sie unter ihren Varianten auf, wie folgt: „Bak'd Grey conj. Bath'd Heath conj. Balk'd Warton conj. Bask'd Jackson conj. Bark'd Grant White conj." Dyce in seiner Second Edition liest balk'd und sagt in seinem Glossary: ,,Here balk'd is explained,piled up in balks or ridges'; but that reading not appearing satisfactory to Grey and Steevens, they proposed bak'd in its stead." Delius in seiner Neuen Ausgabe giebt zu der Stelle folgende Note: ,,to balkaufhäufen, namentlich von der Furchen bildenden Erde gebraucht. So bilden die Todten in

=

Zeile.)

Scene; R. Rede; Z.
ihrem Blute auf dem Felde von Holmedon aufgehäufte
Reihen." Der deutsche Shakespear der Deut-
schen Shakespear-Gesellschaft behält Schlegels
Uebersetzung stillschweigend bei, nämlich:,,Zehn-
tausend Schotten, zweiundzwanzig Ritter In eignem
Blut geschichtet, sah Sir Walter Auf Holme-
dons Plan." - Wieland übersetzte: „Zehntausend
kühne Schotten und dreiundzwanzig Ritter sah Sir
Walter auf den Ebnen von Holmedon in ihrem
Blute sich wälzen." Eschenburg: „Zehn-
tausend kühne Schotten, zweiundzwanzig Ritter,
die haufenweis in ihrem Blute lagen, sah
Sir Walter auf Holmedons Ebne." Heinr. Voss:
,,Zehntausend Schotten, zweiundzwanzig Ritter,
Gereiht in eignem Blut, sah Walter Blunt
Auf Holmedons Flur." Benda:,,Zehntausend

kühne Schotten, zweiundzwanzig Der Ritter, aufgehäuft im eignen Blut, Erblickt' auf Holm'dons Ebene Sir Walter." - Mügge:,,Zehntausend Schotten Und zweiundzwanzig Ritter sah Sir Walter In ihrem Blut, gehäuft auf Holmedons Feld.". Döring:,,Zehntausend Schotten, zweiundzwanzig Ritter In ihrem Blut gehäuft auf Holmedons Ebne Sah, wie er mir erzählt, Sir Walter." Bärmann:,,Zehntausend kühne Schotten, zwanzig Ritter, Ins eigne Blut geschichtet, sah Sir Walter Auf Holmedons Trift." Ortlepp:,,Zehntausend Schotten, zweiundzwanzig Ritter, In eignem Blut gereiht, sah Walter Blunt Auf Holmedons Flur." Gildemeister: ,Zehntausend kühne Schotten, zwanzig Ritter, im eignen Blut gestapelt, sah Sir Walter Auf Holmedons Flur." Viehoff:,,Zehntausend kühne Schotten, zweiundzwanzig Der Ritter sah Sir Walter auf dem Plan Von Holmedon in eignem Blut geschichtet.". Samson von Himelstierns Uebersetzung und Laubes Bearbeitung liegt mir nicht vor; von den wörtlich angeführten Uebersetzungen aber hat keine, wie man sieht, die Conjecturen bak'd, bark'd, bask'd und bath'd berücksichtigt. Mein eigenes Gutachten über sämmtliche Lesarten dieser Stelle lasse ich in der nächsten Nummer folgen.

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VORMERKUNGEN FÜR DIE BÜCHERSCHAU.

1. Das Buch: Shakspere von Gervinus. Ein Wort über dasselbe. Von H. Freiherrn von Friesen, Leipzig, Wilhelm Baensch.

2. Shakspere's Sonette. Uebersetzt von Herm. Frhr. von Friesen. Dresden, Hermann Burdach. 3. Shakspere's Sonette, deutsch von Benno Tschischwitz. Halle, G. Emil Barthel.

4. Leitsterne im Leben und Lieben der Frauen. Eine Shakespeare-Anthologie in vier Bändchen. Von A. Daul. Leipzig, Heinrich Matthes.

5. Didaskalien. Von Feodor Wehl. (Enthält Shakespeariana). Leipzig, Heinrich Matthes. 6. Antony and Cleopatra von William Shakespeare. Erklärt von Karl Blumhof. Celle, Schulzesche Buchhandlung.

7. William Shakespeare's sämmtliche Werke. (Dramen und Gedichte). Deutsche Volksausgabe. Neu durchgesehen und mit einer Biographie, Einleitungen zu sämmtlichen Stücken und einem Spruch register herausgegeben von Max Moltke. In einem Bande. Mit Shakespeare's Bildnis und gegen dreihundert eingedruckten Holzschnitten. Leipzig, Shakespeare-Verlag.

8. William Shakespeare's sämmtliche dramatische Werke. Deutsche Volksausgabe. Mit Einleitungen u. s. w. herausgegeben von Max Moltke. 12 Bde. Leipzig, J. M. Gebhardts Verlag.

MISCELLEN UND NOTIZEN.

Ein königlicher Shakespear-Kämpe.
Wer will behaupten noch, das Wintermärchen
Von Meister Shakespear sei nur schlecht erfunden,
Tu' seinen Wissensmangel arg bekunden
Und stütze noch sich auf ein Hintermärchen!
Ich gebe preis auch nicht ein Splinterhärchen
Von seinem Bau und sag' es unumwunden:
Ans Meer grenzt Böhmen noch zu diesen
Stunden,

Ganz wie zu lesen steht im Wintermärchen.
Dess zum Beweise ward mit Schwerteshieben
Ein ernsthaft Sommermärchen jüngst geschrieben
Von König Wilhelm, Williams Namensvetter.
Venedig, so sich's Meer doch nicht lässt
nehmen,

Hat er's erobert nicht im Lande Böhmen? Preis denn ihm auch als Shakespears Ehrenretter! Leipzig, am 24. Juli 1866. Max Moltke. Hamlet in Leipzig. In keiner Stadt der theaterbauenden und theaterbesuchenden Welt hat jemals binnen sechs Monaten der Name „Hamlet" so oft an den Straszenecken geprangt (selbst in London zur Zeit Shakespears nicht), wie anno 1869 in Leipzig. Ein reisender Aesthetiker, der zur Zeit der Ostermesse und dann wieder im Spätherbste v. J. unser sogenanntes Klein-Paris passirt und während seines jedesmaligen Durchreise-Aufenthaltes die haüfigen Hamlet-Ankündigungen auf unsern Theaterzetteln gelesen hätte, ohne jedoch näher zuzusehen oder persönlich einer der Vorstellungen beizuwohnen, müsste sowohl von unserem Theaterpublicum als von unserer Bühnenleitung eine gewaltig hohe Meinung mitgenommen haben. Und gewiss, ein Publicum, das binnen sechs Monaten Shakespears Hamlet ein viertelhundert Mal verträgt, wie viel höher muss es stehen, als z. B. das Theaterpublicum der Kaiserstadt Wien, dem erst hundert Jahre nach Hamlets Einführung auf der deutschen Bühne die hundertste Hamletvorstellung geboten werden durfte! Aber Spott und Spasz bei Seite, was kann unser Theaterpublicum dafür, dass es jedesmal nur einen Pseudo-Hamlet, zuerst einen Opernhelden Hamlet, alsdann einen Hamlet im Frack, also jedesmal nur eine Hamlet - Carricatur, einen Hamlet-Affen zu sehen bekam, noch bevor ihm von der neuen Bühnenleitung der echte Hamlet auch nur ein einziges Mal vorgeführt worden. Es geht ins Theater, um sich zu unterhalten; und Unterhaltung gewährt auch der jüngste HamletAffe, der „Advokat Hamlet," freilich nur die sehr niedrige Unterhaltung einer Criminalgeschichte und Schwurgerichtssitzung, denn während des ganzen vierten Aktes muss es sich in einem wirklichen Gerichtssaal wähnen und dem im Stücke vorkommenden Gerichtspräsidenten ganz Recht geben, wenn er dem Tribünen-Publicum (hinter, nicht vor der Scene) Stillschweigen gebietet mit den Worten: "Wir sind hier nicht im Theater!" Das ganze Stück ist eine Entweihung der Schaubühne überhaupt, und eine schlimmere Entweihung der Shakespear'schen Hamlet-Tragödie insbesondere, als das Libretto der Thomas'schen Hamlet-Oper, denn der „Advokat Hamlet" will gleichsam auch den Ausleger und Advokaten von Shakespears ,Hamlet" machen, wird aber dabei zum Träger und Ver

breiter, oder vielmehr Breittreter einer ganz irrigen Auffassung und versündigt sich also an der „Tragödie der Tragödien" weit schwerer, als eine ausgesprochene Parodie oder Travestie. Wenn man auch zugeben mag, dass ein edler und geistreicher Sonderling von seinen Bekannten den Beinamen,,Hamlet" erhält, so musste als Grund dafür auch ein Hamlet-Schicksal zu den Voraussetzungen des Stückes gehören, und auf alle Fälle musste sich der so beibenamste Advokat bei all seiner Sonderlingschaft als feiner Weltmann, nicht als ungeschliffener Gesellschafts-Vandale ein- und aufführen, durfte insonderheit nicht mit Absichtlichkeit und Geflissenheit sich selbst als eine Hamlet-Natur, als,,Hamlet im Frack" aufspielen. Dass gleichwohl das unglückliche Stück in Leipzig zweimal das Glück hatte, bei ziemlich vollem Hause wiederholt zu werden, verdankt es nur seinen possenhaften Elementen und darunter namentlich einigen derbkomischen Charaktern; wie oft es aber auch noch gegeben werden sollte, es bleibt ein unvergeblicher Misgriff, somit ein vergeblicher Versuch seines Verfassers; und wer immer derselbe sei, sein „Advokat Hamlet" wird vor dem Richterstuhl und den Geschwornen der echten Kunstkritik wenige Advokaten zu seiner Verteidigung finden. Von Leipzigs dermaligem literarischen Bühnenleiter aber, dem Verfasser der,,Karlsschüler“, wäre wohl zu erwarten gewesen, dass er Schillers klagende Worte an Shakespears Schatten: „Kaum einmal im Jahre geht dein geharnischter Geist über die Bretter hinweg," weniger profanirend Lügen gestraft hätte, als durch Ein- und Aufführung solcher After-Hamlets und Hamletaffen. über deu Text der Hamlet - Oper, als über das Schauspiel:,,Advokat Hamlet" ein Näheres nächstens! tk

Sowohl

Doubtful Plays of William Shakespear. Es ist sowohl in der literarischen Welt, als im groszen gebildeten Lesepublicum allgemein bekannt, dass es aus der Blütezeit der dramatischen Literatur Englands, d. i. aus der Zeit der Königin Elisabeth und König Jakobs I., eine Anzahl grösztenteils anonym, oder pseudonym, oder mit Shakespears Initialen (W. S.) erschienener Stücke giebt, welche auf irgend ein äuszeres oder inneres Anzeichen hin, von vereinzelten, mehr oder weniger gewichtigen Stimmen dem gröszten Dramatiker aller Zeiten, dem Meister William Shakespear zugeschrieben worden sind.

Es ist ferner allgemein bekannt, dass es unter den 37 in die meisten Gesammtausgaben der Werke Shakespears aufgenommenen Dramen mehre Stücke giebt, die noch jetzt von einzelnen Kritikern der Muse Shakespears abgesprochen, oder höchstens für solche vorwiegend fremde Arbeiten erklärt werden, in denen er nur eine Hand gehabt, z. B. „,Pericles";,,Titus Andronikus"; ,,King Henry VI." Aber während die letztgedachten Stücke in unzähligen Ausgaben und Abdrücken dem gesammten urteilsfähigen Publicum vorliegen und demzufolge in immer weiteren Kreisen beachtenswerte Stimmen für ihre Echtheit erlangen; hält man in England selbst mit einer unbegreiflichen Hartnäckigkeit jene Eingangs erwähnten Stücke in den Bibliotheken verborgen und hegt eine wahre Scheu vor deren Veröffentlichung, so dass bis zur Stunde ihrer nur

sehr wenige in einzelne Ausgaben von Shakespears Werken anhangsweise aufgenommen sind. Man begreift die hier gemeinten Stücke gewöhnlich unter der Gesammtbenennung,,Doubtful Plays"; man streitet vor dem groszen Lesepublicum über ihre Echtheit; aber man macht dieses Publicum mit dem Streitobjecte selbst entweder gar nicht, oder nur bruchstückweise bekannt. Die Titel jener Stücke sind chronologisch d. h. je nach ihrer ersten bekannten Drucklegung, Aufführung oder Eintragung in die Stationer's Register geordnet, folgende: 1. The Arraignment of Paris. 2. Arden of Feversham. 3. George - A - Greene. 4. Locrine. King Edward III. 6. Mucedorus. 7. Sir John Oldcastle. 8. Thomas Lord Cromwell.

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5.

9. The 10. The London Prodi

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Jedenfalls muss es für die grosze Gemeinde der Shakespear-Verehrer, die doch unter allen gebildeten Nationen der Welt ihre Mitglieder zählt, von nicht geringem Interesse sein, jene Stücke wenigstens kennen zu lernen, deren Ursprung irgendwann oder irgendwie hat in Verbindung gebracht werden können mit dem gefeierten Namen Shakespear, zumal aus den auf offenem Büchermarkte ausgesprochenen Streitgründen der Kritiker sich ergiebt, dass einzelne jener sogenannten Doubtful Plays Shakespears jugendlicher, ja sogar seiner reiferen Muse keineswegs zur Unehre, jedem andern Verfasser also zur Ehre gereichen würden. Die Tauchnitz'sche ,,Collection of British Authors", getreu ihrem durch weit über tausend Bände beurkundeten Plane, die bedeutendsten und interessantesten Erzeugnisse aller Jahrhunderte der schönen Literatur Englands in sich zu vereinigen, wollte demnach ihrem weiten Leserkreise auch die interessantesten jener Doubtful Plays nicht länger vorenthalten, sondern demselben Gelegenheit geben, sei es unabhängig, sei es an der Hand von kritischen Autoritäten selbst zu prüfen. Von den Herren Verlegern mit dem Auftrage betraut, vorläufig eine Auswahl zu treffen, habe ich eine Unterscheidung zu machen versucht zwischen den „least" und ,,most doubtful Plays" und in einem nunmehr vorliegenden Bändchen (Vol. 1041) zunächst diejenigen sechs Stücke zusammengefasst, auf welche sich die gewichtigsten Stimmen und Beweise für Shakespears Urheber- oder Teilhaberschaft vereinigen, und welche auch nach meiner Ueberzeugung die meisten Spuren Shakespear'schen Geistes und Stiles an sich tragen. Gleichwohl möchte ich von jedem einzelnen der den Inhalt des Bandes bildenden Stücke (es sind die oben unter

4, 5, 8, 10, 12 und 15 aufgeführten) gelten lassen, was Capell in seinem Vorwort zu,,King Edward III." sagt, nämlich:,,But, after all, it must be confessed that its being his [i. e. Shakespear's] work must be conjecture only, and matter of opinion; and the reader must form one of his own, guided by what is now before him, and by what he shall meet with in perusal of the play itself."

Was die ausgeschlossenen Stücke betrifft, so soll darum, dass ich sie zu den most doubtful, ja sogar zu den entschieden spurious Plays zähle, einigen darunter ihr eigentümlicher poetischer Wert keineswegs abgesprochen werden; manches darunter, wenn es sich auch als unechtes ShakespearStück erweist, wird sich immerhin als ein echtes dramatisches Kunstwerk im weiteren Sinne des Wortes behaupten können.

Da übrigens die angezeigte Tauchnitz-Ausgabe der Doubtful Plays nur eine einfache Textausgabe ist, so erlaube ich mir schlieszlich, diejenigen werten Leser, welche meine Beweisgründe für und wider die Echtheit der einzelnen Stücke kennen zu lernen wünschen, auf meine demnächst scheinende kritische Separat - Ausgabe von „,King Edward III., Englisch und Deutsch" aufmerksam zu machen, aus welcher ich einige Probestellen im Shakespear-Museum mitzuteilen mir vorbehalte. Max Moltke.

er

Anachronismen auf Kosten Shakespears. Während man dem groszen Dramendichter in gewissen kleinmeisterlichen Kreisen eine Menge poetisch ganz unerheblicher Anachronismen aufzumutzen und zur Verkleinerung seines Ruhmes nachzutragen liebt, begeht man in Bezug auf ihn selbst, in Bezug auf sein Leben, Wirken und Dichten, sogar in den Kreisen seiner Verehrer ganz unverantwortliche und abgeschmackte Zeitrechnungsverstösze. Da brachte z. B. die,,Allgemeine Theater-Chronik" in ihrer Nr. 5 des Jahrgangs 1866 einen von den unsinnigsten Erfindungen strotzenden Aufsatz unter der Ueberschrift:,,Die erste Aufführung von Shakespears Romeo und Julie in London, im Jahre 1538." Und erst 26 Jahre später, im Jahre 1564, ist Shakespear geboren! Da hängt ferner in den Schaufenstern der Kunsthändler ein Bild vom Maler Enders aus:,,Shakespear, der Königin Elisabeth und ihrem Hofe sein Trauerspiel Macbeth vorlesend;" und alle Shakespearforscher sind darüber einig, dass der Dichter gerade dieses sein Meisterwerk erst nach Elisabeths Tode, erst unter Jakobs I. Regierung geschrieben hat. Warum setzte der Maler nicht lieber „Hamlet" statt,,Macbeth"; sein Bild würde dadurch einen störenden Eindruck weniger, und mehr als einen gewinnenden mehr auch auf literaturkundige Kunstfreunde ausüben. -tk

INHALTS-VERZEICHNIS.

Blatt-Weihe, Gedicht von Max Moltke. Scherr.

Shakespear - Stammbuch: I. Leopold Ranke. II. Johannes Die Shakespear und kein Ende von Göthe, nebst Vorbemerkung des Herausgebers. Shakespearhaltigen Bibliotheken Deutschlands: I. Shakespear-Literatur auf der Stadtbibliothek zu Leipzig. Lesarten-Musterung: I. K. Henry IV. T. I. A. I. Sc. I. R. 5; Conjectur von D. Asher. Vormerkungen für die Bücherschau. Miscellen und Notizen: Ein Königlicher Shakespear-Kämpe; Sonett von Max Moltke. Hamlet in Leipzig. Doubtful Plays of William Shakespear. Anachronismen auf Kosten Shakespears.

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Verantwortlicher Redacteur und Herausgeber: Max Moltke in Leipzig.
Druck von Hüthel & Legler in Leipzig.

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Shakespear-Verlag (Friedlein).

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MEHRERE JAHRE hatte er schon meine ganze Verehrung und war mein Studium, ehe ich sein Individuum liebgewinnen lernte. SCHILLER.

SHAKESPEAR-STAMMBUCH.

III. Emanuel Geibel.

Keiner erkannte den Menschen wie du, glorwürdiger Britte,
Aber ein Höheres noch, Meister, verehr' ich an dir:
Dass du in sterblicher Brust stets klar die geheiligte Satzung
Trugst, nach welcher der Welt Lenker die Dinge regiert.

IV. Adolf Pichler.

Schwinge den Zauberstab, o erhabener Magus des Nordens,
Lauterer Lebensquell sprudelt aus Felsen hervor.
Blumen und Gras umziehn das Ufer, es sinken die Vögel
Nieder vom Wanderzug, füllen die Luft mit Gesang.

Kosend und flüsternd sucht ein zärtliches Pärchen den Schatten,
Pilger verschiedenen Volks kommen von nah und von fern.

Aber die Schlange nicht fehlt, bald toben die Geister im Aufruhr,
Und beim rasenden Streit hüllet der Himmel sich ein.

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Sprecht, wer hebt uns den Bann? Du theilest die nächtlichen Wolken;
Ruhig in Harmonie löst sich der grässliche Fluch.

Mächtiger Britte, du ziehst in Fratzen zuweilen dein Antlitz,
Welches mit ewigem Glanz ewige Jugend umspielt,

Und da kommen sie dann, verzerren die Maüler nach Kräften:
Grinset das Aefflein auch, fehlet zum Gotte doch viel.

V. Göthe,

Kronos als Kunstrichter.

Saturnus eigne Kinder frisst, hat irgend kein Gewissen;

Ohne Senf und Salz und wie ihr wisst verschlingt er euch den Bissen.

Shakespearen sollt' es auch ergehn nach hergebrachter Weise
Den hebt mir auf, sagt Polyphem, dass ich zuletzt ihn speise.

VI. Schiller.

Shakespears Schatten.

Endlich erblickt' ich auch die hohe Kraft des Herakles,

Seinen Schatten. Er selbst, leider, war nicht mehr zu sehn. Ringsum schrie, wie Vögelgeschrei, das Geschrei der Tragöden Und das Hundegebell der Dramaturgen um ihn.

Schauerlich stand das Ungetüm da. Gespannt war der Bogen, Und der Pfeil auf der Sehn' traf noch beständig das Herz. ,,Welche noch kühnere Tat, Unglücklicher, wagest du jetzo,

Zu den Verstorbenen selbst niederzusteigen ins Grab!" Wegen Tiresias' musst' ich herab, den Seher zu fragen,

Wo ich den alten Kothurn fände, der nicht mehr zu sehn. ,,Glauben sie nicht der Natur und den alten Griechen, so holst du Eine Dramaturgie ihnen vergeblich herauf."

O, die Natur, die zeigt auf unsern Bühnen sich wieder,

Splitternackend, dass man jegliche Rippe ihr zählt.

,Wie, so ist wirklich bei euch der alte Kothurnus zu sehen,
Den zu holen ich selbst stieg in des Tartarus Nacht?"
Nichts mehr von diesem tragischen Spuk. Kaum einmal im Jahre
Geht dein geharnischter Geist über die Bretter hinweg.

,,Auch gut! Philosophie hat eure Gefühle gelaütert,

Und vor dem heitern Humor fliehet der schwarze Affect." Ja, ein derber und trockener Spasz, nichts geht uns darüber; Aber der Jammer auch, wenn er nur nass ist, gefällt.

,,Also sieht man bei euch den leichten Tanz der Thalia

Neben dem ernsten Gang, welchen Melpomene geht?" Keines von Beiden! Uns kann nur das Christlich - Moralische rühren, Und was recht populär, häuslich und bürgerlich ist. ,,Was? Es dürfte kein Cäsar auf euren Bühnen sich zeigen, Kein Achill, kein Orest, keine Andromache mehr?" Nichts! Man siehet bei uns nur Pfarrer, Commerzienräte, Fähndriche, Secretärs oder Husarenmajors.

,,Aber, ich bitte dich, Freund, was kann denn dieser Misere Groszes begegnen, was kann Groszes denn durch sie geschehn?“ Was? Sie machen Cabale, sie leihen auf Pfänder, sie stecken

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Silberne Löffel ein, wagen den Pranger und mehr.

,Woher nehmt ihr denn aber das grosze, gigantische Schicksal, Welches den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt?"Das sind Grillen! Uns selbst und unsre guten Bekannten,

Unsern Jammer und Not suchen und finden wir hier.

,,Aber das habt ihr ja alles bequemer und besser zu Hause;
Warum entfliehet ihr euch, wenn ihr euch selber nur sucht?"
Nimm's nicht übel, mein Heros, das ist ein verschiedener Casus:
Das Geschick, das ist blind, und der Poet ist gerecht.
,,Also eure Natur, die erbärmliche, trifft man auf euren

Bühnen, die grosze nur nicht, nicht die unendliche an?"

Der Poet ist der Wirt und der letzte Actus die Zeche;

Wenn sich das Laster erbricht, setzt sich die Tugend zu Tisch.

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