Sivut kuvina
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Und so hielt der Neffe mit List den Oheim gefangen.
Heulend plärrte der Bär, und mit den hintersten Füßen

Scharrt' er grimmig und lärmte so sehr, daß Rüsteviel aufsprang.
12 Was es wäre ? 12 dachte der Meister, und brachte sein Beil mit,
Daß man bewaffnet ihn fände, wenn Jemand zu schaden gedächte.
Braun befand sich indeß in großen Aengsten; die Spalte
Klemmt ihn gewaltig, er zog und zerrte brüllend vor Schmerzen.
Aber mit alle der Pein war nichts gewonnen; er glaubte
Nimmer von dannen zu kommen; so meint' auch Reineke freudig.
Als er Rüsteviel sah von ferne schreiten, da rief er:

„Braun, wie steht es? Mäßiget Euch und schonet des Honigs!
Sagt, wie schmeckt es? Rüsteviel kommt und will Euch bewirthen;
Nach der Mahlzeit bringt er ein Schlückchen, es mag Euch bekommen!"
Da ging Reineke wieder nach Malepartus, der Feste.

Aber Rüsteviel kam, und als er den Bären erblickte,

Lief er, die Bauern zu rufen, die noch in der Schenke beisammen
Schmauseten. Kommt!" so rief er; in meinem Hofe gefangen
Hat sich ein Bär; ich sage die Wahrheit.“ Sie folgten und liefen.
Jeder bewehrte 13 sich etlig, so gut er konnte. Der eine
Nahm die Gabel zur Hand, und seinen Rechen der andre,
Und der dritte, der vierte mit Spieß und Hacke bewaffnet
Kamen gesprungen, der fünfte mit einem Pfahle gerüstet.
Ja der Pfarrer und Küster, sie kamen mit ihrem Geräthe.
Auch die Köchin des Pfaffen (sie hieß Frau Jutte, sie konnte
Grüße bereiten und kochen wie keine) blieb nicht dahinten,
Kam mit dem Rocken gelaufen, bei dem sie am Tage gesessen,
Dem unglücklichen Bären den Pelz zu waschen. Der Braune
Hörte den wachsenden Lärm in seinen schrecklichen Nöthen,
Und er riß mit Gewalt das Haupt aus der Spalte; da blieb ihm
Haut und Haar des Gesichts bis zu den Ohren im Baume.

14

Nein! kein kläglicher Thier hat jemand gesehen! Es rieselt'

Ueber die Ohren das Blut. Was half ihm, das Haupt zu befreien?
Denn es blieben die Pfoten im Baume stecken. Da riß er
Hastig sie ruckend heraus, er ras'te sinnlos; die Klauen,
Und von den Füßen das Fell blieb in der klemmenden Spalte.
Leider schmeckte dies nicht nach süßem Honig, wozu ihm
Reineke Hoffnung gemacht; die Reise war übel gerathen,
Eine sorgliche Fahrt war Braunen geworden. Es blutet'
Ihm der Bart und die Füße dazu, er konnte nicht stehen,

12 what could it be? 18 armed; 14 to belabor.

Konnte nicht kriechen, noch geh'n. Und Rüsteviel eilte zu schlagen,
Alle fielen ihn an, die mit dem Meister gekommen;

Ihn zu tödten, war ihr Begehr. Es führte der Pater
Einen langen Stab in der Hand und schlug ihn von ferne.
Kümmerlich wandt' er sich hin und her, es drängt' ihn der Haufen,
Einige hier mit Spießen, dort andre mit Beilen; es brachte
Hammer und Zange der Schmied, es kamen andre mit Schaufeln,
Andre mit Spaten, sie schlugen drauf los und riefen und schlugen,
Alle setten ihm zu, es blieb auch keiner dahinten;

Der krummbeinige Schloppe mit dem breitnasigen Ludolf

Waren die schlimmsten, und Gerold bewegte den hölzernen Flegel
Zwischen den krummen Fingern; ihm stand sein Schwager zur Seite,
Kückelrey war es, der Dicke, die beiden schlugen am meisten.
Aber Quack und Frau Jutte dazu, fie ließen's nicht fehlen;
Talke Lorden Quacks traf mit der Butte den Armen.
Und nicht diese genannten allein, denn Männer und Weiber,
Alle liefen herzu und wollten das Leben des Bären.
Es kamen auch Steine gewaltig geflogen,

Die den verzweifelten Braunen von allen Seiten bedrängten.
Nun sprang Rüsteviel's Bruder hervor und schlug mit dem langen,
Dicken Knüttel den Bären auf's Haupt, daß Hören und Sehen
Ihm verging, doch fuhr er empor vom mächtigen Schlage.
Rasend fuhr er unter die Weiber, die unter einander
Taumelten, fielen und schrie'n, und einige stürzten in's Wasser,
Und das Wasser war tief. Da rief der Pater und sagte:
,,Sehet, da unten schwimmt Frau Jutte, die Köchin, im Pelze,
Und der Rocken ist hier! O helft, ihr Männer! Ich gebe
Bier zwei Tonnen zum Lohn und großen Ablaß und Gnade."
Alle ließen für todt den Bären liegen und eilten

Nach den Weibern an's Wasser; man zog auf's Trocne die Fünse.
Da indessen die Männer am Ufer beschäftiget waren,

Kroch der Bär in's Wasser vor großem Elend und brummte
Vor entseßlichem Weh. Er wollte sich lieber ersäufen,

Als die Schläge so schändlich erdulden. Er hatte zu schwimmen
Nie versucht und hoffte sogleich das Leben zu enden.

Wider Vermuthen fühlt' er sich schwimmen, und glücklich getragen
Ward er vom Wasser hinab; es sahen ihn alle die Bauern,
Riefen: Das wird uns zur ewigen Schande gereichen!"
Und sie waren verdrießlich und schalten über die Weiber:
Besser blieben sie doch zu Hause! da seht nun, er schwimmet

15 Seiner Wege." 15 Sie traten herzu, den Block zu besehen,
Und sie fanden darin noch Haut und Haare vom Kopfe

Und von den Füßen, und lachten darob und riefen: „Du kommst uns
Sicher wieder, behalten wir doch die Ohren zum Pfande!"
So verhöhnten sie ihn noch über den Schaden; doch war er
Froh, daß er nur dem Uebel entging. Er fluchte den Bauern,
Die ihn geschlagen, und klagte den Schmerz der Ohren und Füße;
Fluchte Reineken, der ihn verrieth. Mit solchen Gebeten

Schwamm er weiter; es trieb ihn der Strom, der reißend und groß war,
Binnen weniger Zeit fast eine Meile hinunter,

Und da kroch er an's Land am selbigen 16 Ufer und keuchte.
Kein bedrängteres Thier hat je die Sonne gesehen!
Und er dachte den Morgen nicht zu erleben, er glaubte
Plöglich zu sterben und rief: „O Reineke, falscher Verräther!
Loses " Geschöpf!" Er dachte dabei der schlagenden Bauern,
Und er dachte des Baums und fluchte Reinekens Listen.
Aber Reineke Fuchs, nachdem er mit gutem Bedachte
Seinen Oheim zu Markte geführt, ihm Honig zu schaffen,
Lief er nach Hühnern; er wußte den Ort und schnappte sich eines,
Lief und schleppte die Beute behend am Flusse hinunter.
Dann verzehrt' er sie gleich und eilte nach andern Geschäften
Immer am Flusse dahin und trank des Wassers und dachte:
,, wie bin ich so froh, da ich den tölpischen Bären
So zu Hofe gebracht! Ich wette, Rüsteviel hat ihm
Wohl das Beil zu kosten gegeben. Es zeigte der Bär sich
Stets mir feindlich gesinnt, ich hab' es ihm wieder vergolten.
Oheim hab' ich ihn immer genannt; nun ist er am Baume
Todt geblieben, deß will ich mich freu'n, so lang' ich nur lebe.
Klagen und schaden wird er nicht mehr! — Und wie er so wandelt,
Schaut er am Ufer hinab und sieht den Bären sich wälzen.
Das verdroß ihn im Herzen, daß Braun lebendig entkommen.
,,Rüsteviel," rief er,,,lässiger Wicht! du grober Geselle!
Solche Speise verschmähst du, die fett und guten Geschmacks ist,
Die manch' ehrlicher Mann sich wünscht, und die so gemächlich
Dir zu Handen gekommen? Doch hat für deine Bewirthung
Dir der redliche Braun ein Pfand gelassen!" So dacht' er,
Als er Braunen betrübt, ermattet und blutig erblickte.
Endlich rief er ihn an: „Herr Oheim, find' ich Euch wieder?
Habt Ihr etwas vergessen bei Rüsteviel? Sagt mir, ich lass' ihm

16 on his way; 16 same; 17 malicious.

Wissen, wo Ihr geblieben. Doch soll ich sagen, ich glaube,
Vielen Honig habt Ihr gewiß dem Manne gestohlen;

Oder habt Ihr ihn redlich bezahlt? Das ist ein schmähliches Wesen !1
War der Honig nicht guten Geschmacks? Zu selbigem Preise
Steht noch mancher zu Kauf! Doch, Oheim, saget mir eilig,
19 Welchem Orden habt Ihr Euch wohl so kürzlich gewidmet,19
Daß Ihr ein rothes Baret" auf Eurem Haupte zu tragen
Anfangt? Seid Ihr ein Abt? Es hat der Bader" gewißlich,
Der die Platte Euch schor, nach Euren Ohren geschnappet;
Ihr verloret den Schopf, wie ich sehe, das Fell von den Wangen
Und die Handschuh dabei. Wo habt Ihr sie hängen gelassen ?"
Und so mußte der Braune die vielen spöttischen Worte
Hinter einander vernehmen und konnte vor Schmerzen nicht reden,
Sich nicht rathen noch helfen. Und um nicht weiter zu hören,
Kroch er in's Wasser zurück und trieb mit dem reißenden Strome
Nieder und landete d’rauf am flachen Ufer. Da lag er
Krank und elend und jammerte laut und sprach zu sich selber:
„Schlüge nur Einer mich todt! Ich kann nicht gehen und sollte
Nach des Königes Hof die Reise vollenden, und bleibe
So geschändet zurück von Reinekens bösem Verrathe.
Bring' ich mein Leben davon, gewiß, "dich soll es gereuen!""
Doch er raffte sich auf und schleppte mit gräßlichen Schmerzen
Durch vier Tage sich fort, und endlich kam er zu Hofe.
Als der König den Bären in seinem Elend erblickte,

Rief er:,,Gnädiger Gott! Erkenn' ich Braunen? Wie kommt er
So geschändet?" Und Braun verseßte: „Leider erbärmlich
Ist das Ungemach!" Da sprach der König entrüstet:
Rächen will ich gewiß ohn' alle Gnade den Frevel.

Solch' einen Herrn wie Braun, den sollte Reineke schänden?
Ja, bei meiner Ehre, bei meiner Krone! das schwör' ich,
Alles foll Reineke büßen, was Braun zu Rechte begehret!

Halt' ich mein Wort nicht, so trag' ich kein Schwert mehr, ich will es

geloben!"

Goethe.

18 condition; 19 to what (religious) order have you lately consecrated yourself; 20 cap, barret; 21 barber; 22 you shall repent.

B. Beschreibende Poesie.

Schilderung des Schweizerlandes

Wenn Titan's erster Strahl der Gipfel Schnee vergüldet,
Und sein verklärter Blick die Nebel unterdrückt,
So wird, was die Natur am prächtigsten gebildet,
Mit immer neuer Lust von einem Berg erblickt.
Durch den zerfahr'nen Dunst von einer dünnen Wolke
Eröffnet sich zugleich der Schauplah einer Welt;
Ein weiter Aufenthalt von mehr als einem Volke
Zeigt Alles auf einmal, was sein Bezirk enthält.
Ein sanfter Schwindel schließt die allzu schwachen Augen,
Die den zu breiten Kreis nicht durchzustrahlen taugen.3

Ein angenehm Gemisch von Bergen, Fels und Seen
Fällt nach und nach erbleicht, doch deutlich in's Gesicht;
Die blaue Ferne schließt ein Kranz beglänzter Höhen,
Worauf ein schwarzer Wald die lehten Strahlen bricht;
Bald zeigt ein nah' Gebirg' die sanft erhob’nen Hügel,
Wovon ein laut Geblök im Thale wiederhallt;
Bald scheint ein breiter See ein meilenlanger Spiegel,
Auf dessen glatter Fluth ein zitternd Feuer wallt;
Bald aber öffnet sich ein Strich von grünen Thälern,
Die hin und her gekrümmt, sich im Entfernen schmälern.
Dort senkt ein kahler Berg die glatten Wände nieder,
Den ein verjährtes Eis dem Himmel gleich gethürmt;
Sein frostiger Krystall schickt alle Strahlen wieder,
Den die gestieg'ne Hig' im Krebs® umsonst bestürmt.
Nicht fern vom Eise streckt, voll futterreicher Weide,
Ein furchtbares Gebirg den breiten Rücken her;

Sein sanfter Abhang glänzt von reifendem Getreide,
Und seine Hügel sind von hundert Heerden schwer.
Den nahen Gegenstand von unterschiednen Zonen
Trennt nur ein enges Thal, wo kühle Schatten wohnen.

9

Hier zeigt ein steiler Berg die mauergleichen Spizen,
Ein Waldstrom eilt hindurch und stürzet Fall auf Fall.
Der dickbeschäumte 10 Fluß dringt durch der Felsen Rißen,
Und schießt mit jäher Kraft weit über ihren Wall;

1 Titan oder Helios, Sonnengott; 2dissolved; nicht taugen superannuated;

in food; & various;

[blocks in formation]

Cancer (the time when the sun stands in the sign of Cancer); 'rich resembling walls. 10 covered with thick foam.

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